Franken - Buchtipps


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Gerhard Falkner "Romeo oder Julia"

Der 1951 in Schwabach geborene Gerhard Falkner gilt als einer der bedeutendsten Autoren aus Franken. Mit seinem neuen Roman "Romeo oder Julia" hat er es sogar auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2017 geschafft.

Von: Dirk Kruse

Stand: 19.09.2017

Buchtipp: Romeo oder Julia von Gerhard Falkner | Bild: BR-Studio Franken / Tina Wenzel

"Am 16. September 2005 ereignete sich in einem Hotel in Tirol nahe Innsbruck ein ungewöhnlich seltsamer Vorfall. Die Umstände seines Zustandekommens wie auch die Prozeduren seines Fortgangs schienen so an den Haaren herbeigezogen, dass die beiden Polizisten, die schließlich gerufen wurden, um einem möglichen Versicherungsfall vorzuarbeiten, aus ihrem Misstrauen hinsichtlich meiner Aussagen kein Hehl machten."

Zitat aus 'Romeo oder Julia'

So beginnt der Roman "Romeo oder Julia". Der seltsame Vorfall ist ein Einbruch in das Hotelzimmer des Schriftstellers Kurt Prinzhorn. Die unbekannte Diebin stahl weder Laptop noch Kamera noch Kreditkarten, sondern Notizbücher und Manuskripte des Autors sowie seinen dicken Schlüsselbund. Außerdem nahm sie sich noch die Zeit für ein Bad und hinterließ neben Seifenschaumresten einige lange schwarze Haare in der Badewanne. Ein Vorfall, der sich im wahren Leben des fränkischen Schriftstellers Gerhard Falkner, tatsächlich ereignet hat.

"Das erste Kapitel ist eigentlich nicht Literatur, sondern ein Tatsachenbericht. Der Einbruch hat stattgefunden. Es sind alle meine privaten Papiere und Manuskripte weggekommen und nie wieder aufgetaucht. Und ein enorm großer Schlüsselbund verschwand, weil ich damals in vier Wohnungen gleichzeitig gelebt habe. Das sind natürlich nicht alles meine Wohnungen gewesen, aber ich hatte dort überall Material und persönliche Dinge liegen."

Gerhard Falkner

Weil sich der mysteriöse Diebstahl niemals aufklären ließ, aber Gerhard Falkner noch jahrelang irritierte, machte er daraus schließlich einen Romanstoff und erschrieb sich seine eigene Lösung. Herausgekommen ist dabei ein ebenso kluger wie amüsanter Künstlerroman, der geschickt mit dem Genre des Krimis spielt, aber auch als dramatische Liebesgeschichte oder als Literaturbetriebssatire gelesen werden kann.

"'Ahhhh', schrie ein junger Mann mit eitlen Haaren und breitete beide Arme aus, als er mich die Freitreppe herunterkommen sah. Sein Gesicht strahlte, wenn man es nicht so genau nahm. Nahm man es genau, entlarvte es sich schnell als ein gekünsteltes Lächeln. Hinter der gespielten Herzlichkeit verbargen sich Geltungssucht, Selbstüberschätzung und eiskalte Berechnung. Es handelte sich um den osteuropäischen Autor Anton Jurcic."

Zitat aus 'Romeo oder Julia'

Info und Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Gerhard Falkner: Romeo oder Julia, München 2017, Berlin Verlag, 270 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-8270-1358-3

Kurt Prinzhorn, ein ziemlicher Zyniker und selbst nicht frei von Eitelkeit, befindet sich gerade auf einer Schriftstellertagung in Innsbruck und hat keinen blassen Schimmer, welche Frau ihn im Hotelzimmer bestohlen haben könnte. Als erotischer Freigeist, der sich nicht fest binden will, hat er den Überblick über seine zahlreichen Liebschaften ohnehin verloren und reist ein paar Tage später zu einem Dichtertreffen nach Moskau. Doch auch dort, und wenig später bei einer Vortragsreise nach Madrid, wird er von der Unbekannten verfolgt. Wieder verschafft sich die Stalkerin Zugang zu seinen Hotelzimmern und hinterlässt dort seltsame Nachrichten.

"Die Großkapitel sind nach Großstädten benannt. Das ist mir in allen meinen Büchern eigentlich immer sehr wichtig gewesen, einen urbanen Hintergrund mit als Akteur ins ganze Unternehmen einzubeziehen. Und deswegen habe ich die Reihenfolge der Reisen, die ich damals gemacht habe, - Innsbruck, Moskau, Madrid - auch beibehalten und mit meinen Notizen, die ich in diesen Städten gemacht habe, verknüpft."

Gerhard Falkner

Der Romeo Kurt Prinzhorn wird von einer unbekannten Julia gestalkt. Neben Goethe und Gogol, steht auch Shakespeare für diesen Roman Pate, wie der Titel schon andeutet.

"Romeo oder Julia ist kein rhetorisches oder. Nicht Wurst oder Käse, Regen oder Sonnenschein. Es ist ein existenzialistisches oder. Es ist ein oder, das einfach eine Entscheidung fordert zwischen den beiden Geliebten, die sie ursprünglich mal gewesen sind."

Gerhard Falkner

Gerhard Falkners Roman ist gespickt voll mit Zitaten aus Kunst, Literatur, Musik, Film und Mode. Und er ist durchflochten mit zahlreichen symbolischen Motiven vom Gewitter als Symbol der Leidenschaft, Haaren als Symbol der Verlockung und Schwänen als Symbol der Unschuld. Man kann "Romeo oder Julia" aber auch ebenso gut lesen und verstehen, ohne all diese Anspielungen wahrzunehmen. Bestechend an dem Buch ist Falkners einzigartiger Stil, der aus einem hohen Ton mit ironischen Brechungen, intelligentem Humor und glänzenden Landschaftsschilderungen besteht. Ein absolut preiswürdiger Roman, verfasst im unverwechselbaren Falkner-Ton.

Der Autor

Bekannt ist Gerhard Falkner, der 1951 in Schwaben geboren wurde, vor allem für seine originellen und hervorragenden Gedichte, die ihn zu einem deutschlandweit anerkannten und vielfach ausgezeichneten Lyriker machen. Erst im vergangenen Jahr debütierte Gerhard Falkner auch als Romanautor. Sein Großwerk "Apollokalypse" wurde sofort auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2016 gewählt. Jetzt hat es der spätberufene Romancier mit "Romeo oder Julia" nicht nur auf die Longlist, sondern sogar auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft. Damit gilt "Romeo oder Julia" als eines der sechs besten Bücher des Jahres 2017. Ob Gerhard Falkner oder einer seiner fünf Konkurrenten den Deutschen Buchpreis erhält, gibt die Jury am 9. Oktober bekannt.


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Renate E., Dienstag, 19.September 2017, 13:18 Uhr

1. Alles reine Geschmackssache.

Was mögen nun "eitle Haare" sein? Dieses gestelzte Deutsch macht wenig Lust auf das Buch. Da werde ich wohl bei meiner Lieblingslektüre bleiben, bei Krimis...

  • Antwort von Wolf, Montag, 25.September, 18:32 Uhr

    Naja,auch Kultur muß man sich erarbeiten......von nix kommt nix....