Report München


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Deutschland schlecht geschützt vor Cyber-Terror BND warnt vor Hackern des "Islamischen Staats"

Seit den Anschlägen von Paris haben Hacker islamistischer Gruppierungen Hunderte von Webseiten französischer Behörden und kommunaler Einrichtungen attackiert und islamistische Propaganda eingestellt. Die IS-nahe Gruppierung Cyber Kalifat hat den Twitter-Account des Pentagon gehackt. IT-Sicherheitsexperten warnen im Interview mit report München, dass der Westen für drohende Angriffe auf kritische Infrastrukturen nicht gerüstet sei. Der Bundesnachrichtendienst (BND) bestätigt: "Mehrere mit IS assoziierte Hackergruppen beherrschen Cyber-Angriffsmethoden."

Von: Sabina Wolf, Jonathan Schulenburg

Stand: 13.01.2015

Diese Karte macht Sicherheitsexperten immer größere Sorgen: Jeder rote Punkt steht für ungesicherte Systemsteuerungen, die übers Internet angegriffen werden könnten – auch von  Cyberterroristen.

Diese U-Bahn einer deutschen Großstadt gehört dazu.

Wir sind live dabei, während sich IT Experte Marco Di Filippo Zugang zur IT-Steuerung der Bahn verschafft. Ganz simpel, über eine öffentlich zugängliche Telefonnummer gelangt er bis ins Herz der Signalsteuerung.

Marco Di Filippo, IT Sicherheitsexperte:

„Connected, jetzt bin ich connected mit dieser Infrasturktur.“

„Wenn man letztendlich die ganze Sache durchscrawlt, wird man relativ schnell finden, dass das die Webcams sind, hier vom Hauptbahnhof.“

„Es ist egal wo ich sitze, wie gesagt, wir haben uns ja von hier aus eingewählt, das einzige, was ich benötige ist ein Internetzugang.“

Außer uns sind bei dieser Demonstration nur Internet-Experten mit im Raum.

Marco Di Filippo, IT Sicherheitsexperte:„Ich bin jetzt nicht so ein Zugfahrer, ich gehe jetzt da einfach mal rein und schau mal nach, was ich da letztendlich verstellen kann. Aha, ich seh, ich kann rein theoretisch den Zug bisschen beschleunigen, momentan steht er. Ich kann von

Automatikbetrieb auf Stand schalten. Ich kann jetzt aber auch Not Aus … usw. ...“

„Es ist definitiv gefährlich. Solche Systeme sollten nach außen hin nicht verfügbar sein, auf keinen Fall.“

Tatsache ist: Alle diese roten Punkte stehen für mögliche Angriffsziele in Deutschland. All diese Einrichtungen oder Firmen könnten gehackt werden.

Die Gefahr von Hacking ist aktueller denn je: Erst gestern hat eine Gruppe mit dem Namen Cyberkalifat den Twitter Account des US-amerikanischen Oberkommandos angegriffen – in erster Linie ein PR-Coup.

Denn die Propagandaschlacht der so genannten Cyberjihadisten ist in vollem Gang erklärt der Hörfunkjournalist Holger Schmidt:

Holger Schmidt, ARD-Terrorismusexperte:Das Netz ist für islamistische Terroristen das ein und alles. Es ist die Kriegsführung dieser Zeit, zum Einen um eben Unterstützer, Geld zu requirieren, aber dann eben auch, um die eigenen Erfolge zu zeigen. Und ein Hacking des amerikanischen Zentralkommandos z.B., das ist natürlich auch propagandistisch nach innen, wie nach außen, ein riesiger Erfolg.“

Bislang handelt es sich vor allem um einen Propagandakrieg. Angriffe auf  Infrastruktureinrichtungen könnten hingegen verheerende Folgen haben. report München wollte vom Bundesnachrichtendienst wissen: Ist der sogenannte Islamische Staat technisch in der Lage Cyberangriffe durchzuführen?

Die Antwort läßt uns aufhorchen - Zitat:

"Mehrere mit IS assoziierte Hackergruppen beherrschen Cyber-Angriffsmethoden." 

Brisant – der Fall des britischen Hackers und Jihadisten Junaid H. Er soll laut Erkenntnissen britischer Sicherheitsbehörden von Syrien aus Finanzinstitute gehackt haben, um Gelder für den Jihad zu erbeuten.

IT-Spezialist Matthias Rosche fürchtet, dass bald auch Angriffe auf wichtige Infrastruktureinrichtungen folgen könnten:

Matthias Rosche, Sicherheitsexperte, Fa. NTT Com Security:„Also wir haben jetzt neben der Wirtschaftskriminalität tatsächlich noch einen größeren zweiten Angriffsvektor. Das sind diese Cyber-Jihadisten, die durchaus die technischen Möglichkeiten haben, solche Produktionsanlagen auch anzugreifen, und es ist sicherlich eine Frage der Zeit, bis wir den ersten Vorfall dann auch zu vermelden haben.“

Paris heute Vormittag: Trauerfeier zu Ehren der ermordeten Polizisten. Zur gleichen Zeit:

Massive Angriffe auf die Internetseiten französischer Einrichtungen. Die Islamisten gehen online in die Offensive. Die ermordeten Journalisten von Charlie Hedo werden verhöhnt. Zitat: „Zur Hölle Hebdo Schweine.“

Heute Abend in einem Pariser Fernsehstudio. Armeegeneral Marc Watin-Augouard ist einer der führenden französischen Cyberkriminalität-Experten. Er warnt im Interview mit report München:

Marc Watin-Augouard, Armeegeneral a. D.: „Energie, Transport, Telekommunikationsunternehmen, Gesundheitssystem, Bankenwesen, ein solcher Angriff könnte in unserem alltäglichen Leben massive Schäden anrichten. Es könnte Opfer, sogar Tote geben. Umweltkatastrophen. Und deshalb arbeiten französische Behörden heute, wie auch das deutsche Bundesamt für Informationstechnik, zusammen mit den Industrieunternehmen an einem besseren Schutz der kritischen Infrastrukturen.“

Der sogenannte Jihad im Netz. Für Sicherheitsexperten eine reale Gefahr – Zeit zum entschlossenen Handeln.

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