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SPD-Politiker Bahr, Egon

Egon Bahr war Journalist, Sprecher des Regierenden Bürgermeisters von Berlin und engster Berater von Willy Brandt. Gemeinsam mit Willy Brandt ist er der Vater der Ostpolitik, die die Grundlage für die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurde.

Stand: 17.07.2013 | Archiv

"Im Frühjahr 1961, ich glaube, es war im April, war wie immer NATO-Konferenz, die Frühjahrskonferenz. Sie fand damals in Oslo statt. Ich bekam das Kommuniqué dieser Konferenz und lief daraufhin aufgeregt zu Brandt und habe zu ihm gesagt: 'Hier ist vom Vier-Mächte-Status gar nicht mehr die Rede! Es ist nur noch die Rede vom Recht der drei Mächte auf freien Zugang. Das ist doch wie eine Aufforderung an die Sowjetunion, sie könne nun mit dem Ostsektor machen, was sie will.' Aber nun gut, was soll's: Wir wussten nicht genau, was das bedeuten könnte. Aber wie auch immer, wir erlebten dann, dass die Zahl der Flüchtlinge immer weiter zunahm. Und wir hatten – ebenfalls wie fast immer – Bundestagswahlen vor uns. Deswegen waren wir in Nürnberg, wo Brandt eine Rede halten musste, die sehr schwierig war. Denn er konnte mit Blick auf die Landsleute in Ostdeutschland ja nicht sagen: 'Es ist nichts, seid ruhig, bleibt ruhig!' Da hätten die Leute doch über ihn gesagt: 'Der Brandt hat einen Vogel!' Er konnte aber auch nicht sagen: 'Kommt, solange ihr noch kommen könnt!' Denn dann hätte die andere Seite genau das als Vorwand benutzt, um das zu machen, was sie ohnehin vorgehabt hatte. Das war also ein regelrechter Slalomlauf. Er ist dann in seinen Wahlzug gestiegen und in Richtung Norden aufgebrochen, wurde in Hannover aus dem Zug geholt und von dort nach Berlin geflogen. Dort ging er ans Brandenburger Tor und musste mit ansehen, wie Stacheldraht aufgezogen wurde."

Egon Bahr

Zur Person

  • * 18. März 1922 - † 19. August 2015
  • Ausbildung
  • Lehre als Industriekaufmann
  • Beruf
  • Politiker und Journalist

Funktionen und Ämter

  • Ämter/berufliche Stationen
  • 1944-1945 Industriekaufmann bei Rheinmetall-Borsig
  • 1945 Reporter bei der "Berliner Zeitung", anschließend bei der "Allgemeinen Zeitung"
  • 1948-1950 Korrespondent des "Tagesspiegel" in Hamburg und Bonn
  • 1950-1960 Chefkommentator des RIAS
  • 1953-1954 Leiter des Bonner Büros des RIAS
  • 1960-1966 Leiter des Presse- und Informationsamtes des Landes Berlin
  • 1966-1969 Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt sowie Sonderbotschafter und Leiter des Planungsstabs des Auswärtigen Amts
  • 1969-1972 Staatssekretär im Bundeskanzleramt bei Willy Brandt
  • 1972-1990 Mitglied des Deutschen Bundestages
  • 1972-1974 Bundesbevollmächtigter für Berlin und Bundesminister für besondere Aufgaben
  • 1974-1976 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Kabinett von Helmut Schmidt
  • 1976-1981 Bundesgeschäftsführer der SPD
  • 1984-1994 Direktor des Instituts für Friedensforschung an der Universität Hamburg

Veröffentlichungen

  • Ostwärts und nichts vergessen! Kooperation statt Konfrontation, hrsg. von Dietlind Klemm, Hamburg: VSA, 2012.
  • Gedächtnislücken. Zwei Deutsche erinnern sich (zusammen mit Peter Ensikat), hrsg. von Thomas Grimm, Berlin: Aufbau, 2012.
  • Der deutsche Weg. Selbstverständlich und normal, München: Blessing, 2003.
  • Machbares Denken. Wege aus dem Scherbenhaufen, Wuppertal: Hammer, 1999.
  • Der Nationalstaat. Überlebt und unentbehrlich, Göttingen: Steidl, 1998.
  • Deutsche Interessen. Streitschrift zu Macht, Sicherheit und Außenpolitik, München: Blessing, 1998.
  • Zu meiner Zeit, München: Blessing, 1996.
  • Sicherheit für und vor Deutschland. Vom Wandel durch Annäherung zur Europäischen Sicherheitsgemeinschaft, München und Wien: Hanser, 1991.
  • (Hrsg. zusammen mit Dieter S. Lutz) Konventionelle Stabilität. Zu den militärischen Aspekten struktureller Nichtangriffsfähigkeit im Rahmen gemeinsamer Sicherheit, Baden-Baden: Nomos, 1988.
  • Zum europäischen Frieden. Eine Antwort auf Gorbatschow, Berlin: Siedler, 1988.

Erstsendung: 19.3.2012


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