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Bayerische Toleranz Die "Liberalitas Bavariae"

Bayern sieht sich gerne als weltoffen und liberal. "Leben und Leben lassen", die vielgerühmte "Liberalitas Bavariae" ist das Motto dieser besonderen Lebensart. Doch was verbirgt sich genau hinter diesem spezifisch bayerischen Toleranzbegriff?

Stand: 15.11.2014 | Archiv

Bavaria | Bild: BR

Die "Liberalitas Bavarica" tauchte zum ersten Mal im 18 Jahrhundert auf. Diese Inschrift ist noch heute über dem Portal der Kirche St. Salvator in Polling zu lesen. Sie war Teil des Augustinerchorherrenstift, das 1803 im Zuge der Säkularisation aufgelöst wurde. Mit dieser Inschrift bedankten sich die Mönche bei dem bayerischen Adel für seine Freigiebigkeit.

Das Portal der Kirche St. Salvator in Polling

Der Historiker und Denkmalpfleger Egon Johannes Greipl hat sich intensiv mit der „Liberalitas Bavariae“ beschäftigt. Die Pollinger Inschrift ist also eine Danksagung des Klosters an die bayerischen Herrscher, auf deren Wohlwollen es auch immer angewiesen war.

"Davon sind natürlich viele enttäuscht, weil sie glauben, dass ist jetzt hier vor Jahrhunderten von gelehrten Klosterleuten ausgedachte Charakteristik für den Bayern schlechthin, das ist eine ganz falsche Vorstellung"

, Egon Johannes Greipl, Historiker und Denkmalpfleger   

Der ehemalige Propst des Klosters, Johann Nepomuk Daisenberger (1753-1820) lässt in seinem Werk "Memorabilia de Canonia Pollingana" keinen Zweifel daran: Mit der Inschrift bedankt sich das Kloster für materielle Zuwendungen.

Wie hat sich die "Liberalitas" zu einer Art Toleranzbegriff gewandelt?

1947 griff der Kunstkritiker Wilhelm Hausenstein in einem Vortrag die "Liberalitas Bavarica" auf und interpretierte sie als bayerische Liberalität. Dahinter steckt wohl auch die Sehnsucht nach einem idealen bayerischen Nationalcharakter. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs besann man sich gerne wieder auf die ideologisch nicht so belastete bayerische Geschichte zurück.

Jahrzehnte später, Anfang der 1970er Jahre wandelte sich dann die einstige Pollinger Inschrift zur Liberalitas Bavariae. So hieß nämlich ein Buch des Schriftstellers Georg Lohmeier. Er sah darin auch die "bayerische Freundlichkeit und Gemütlichkeit". Doch mit der eigentlichen Bedeutung des lateinischen Begriffs "Liberalitas" hat das nichts mehr zu tun.


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