BR Fernsehen - Unter unserem Himmel


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Emerenz Meier Schiefweg

Schiefweg - so heißt der Geburtsort der Emerenz Meier. Aber zugleich ist damit auch der Lebensweg dieser Schriftstellerin aus dem Bayerischen Wald vorgezeichnet.

Published at: 2-1-2011 | Archiv

Fernsehfilm von Jo Baier

Emerenz Meier war, geboren 1874, nicht nur eine Zeitgenossin der berühmteren Lena Christ, sie war auch eine Leidensgenossin - und Bauernkind. Verstummt, verbittert und entwurzelt starb sie 1928 in Chicago, das sie hasste. Bis zuletzt eine Widerspenstige, hat sie sich aufgelehnt gegen jedwede Ungerechtigkeit, gegen die Menschenverachtung und Herzlosigkeit mächtiger Zeitgenossen, hat sie Krieg und Unterdrückung verurteilt.

Obwohl in einem Wirtshaus groß geworden, wuchs sie mit der Armut auf, hat sie schon früh und ungeschminkt die Auswirkungen von Macht- und Besitzverhältnissen erkennen können in der engen bäuerlichen Welt.

Diese Kindheit zunächst einmal in einem Ausschnitt zu zeigen, eben auf dem Hof der Meiers und in dessen Umgebung, gesehen aus der Perspektive der zehnjährigen Emerenz, das ist der Inhalt dieses Fernsehspiels. Alle Rollen sind mit Laien besetzt. Von ihrer Aufrichtigkeit erwarten wir die authentische Darstellung eines Daseins, das bestimmt war von Armut und Arbeit, von Träumen und ihrer Unerfüllbarkeit, von Auflehnung und Verzicht. Im Laufe des Films wird Emerenz von der Beobachterin zur Betroffenen; durch einen Vater, der mit Gewalt regiert und dennoch den Hof herunterwirtschaftet; durch einen Onkel, den seine Empfindsamkeit und Phantasie zum Außenseiter stempelt und mit dem sie eine enge Freundschaft verbindet.

Am Ende hat die kleine Emerenz Erfahrungen gemacht, die sie nur bestärken können in ihrem Willen, später einmal an den bestehenden Verhältnissen etwas zu ändern, der dörflichen Enge zu entkommen - mit Hilfe ihrer Phantasie.

Personen: 
Emerenz MeierDaniela Schötz
Ihr VaterKarl Schöll
Ihre MutterTherese Plöckinger
Petronilla, ihre SchwesterMonika Heindl
Sebald, OnkelJosef Wierer
MagdMarietta Falkner
Sprecherin:Christa Berndl
Regie:Jo Baier

Erstausstrahlung: 23. und 30. September 1987


Jo Baier erhielt für "Schiefweg" 1989 den Adolf-Grimme-Preis für Fernsehspiel in Silber

Aus der Begründung der Jury::

Das Fernsehen als Medium der Sicherung verlorener Geschichte und Geschichten. Emerenz Meier war einmal eine hoffnungsvolle bayerische Schriftstellerin, in ihrem Talent und ihrer Sprachkraft nur mit Lena Christ zu vergleichen. Doch wer kennt die Frau, die ein so schweres Schicksal hatte, heute noch?

Jo Baier, der Autor und Regisseur hat sich auf ihre Spuren begeben, hat nicht nur ihre Werke ausgraben, sondern auch ihr Leben erforscht. Nur ein Jahr begleitet Baier die Emerenz Meier in seinem Film "Schiefweg", aber es ist das entscheidende Jahr, in dem das zehnjährige Mädchen spürt, was in ihm steckt.

"Schiefweg" ist die genaue, einfühlsame und liebevolle Beobachtung eines harten Daseins auf dem Land, eines Lebens, das jeden Individualismus, jede Abweichung von der Arbeitsnorm erbarmungslos verfolgt. In ruhigen, ethischen Bildern erzählt Baier von diesem Leben, vermittelt mit seinen Laiendarstellern ein Bild von Menschen, die kaum eine Möglichkeit haben, ihrer Herkunft zu entkommen.

Emerenz Meier aber wird dies gelingen, das ahnt man beim Ansehen des Films, der übrigens auch in der Mundart streng bleibt, keine Konzession an die Zuschauer macht. Aber man ahnt auch, dass das Schicksal sie eines Tages wieder einholen wird.


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