ARD alpha - Klassiker der Weltliteratur


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Klassiker der Weltliteratur Cao Xueqins "Traum der roten Kammer"

Es erinnert ein bisschen an die "Buddenbrooks", nur ist die Geschichte 200 Jahre älter und spielt im kaiserlichen China - "Der Traum der roten Kammer" ist eine Familiensaga, die Einblicke in die chinesische Gesellschaft um 1730 gewährt, in der ein junger Mann seinen eigenen Weg geht.

Stand: 16.10.2017 | Archiv

Cao Xueqin "Traum der roten Kammer" | Bild: picture-alliance/dpa

"Der Traum der roten Kammer" gehört zu den berühmtesten klassischen Romanen der chinesischen Literatur. Es ist das einzige überlieferte Werk des Autors Cao Xueqin, der mit seiner Geschichte vom Aufstieg und Fall der Aristokratenfamilie Jia eine der gelungensten Darstellungen vom China der Qing-Dynastie liefert. Seinen Roman mit über 350 Figuren kann man als Zeitdokument und als Einführung in die Welt des Taoismus und Buddhismus lesen.

Rot - eine Farbe, viele Bedeutungen

Rote Lampions hängen die Chinesen heute noch zum Laternenfest auf.

Die Geschichte des jungen Aristokraten Baoyu steckt voller symbolischer Anspielungen. Die Farbe Rot zum Beispiel nimmt in der chinesischen Kultur seit jeher eine Schlüsselrolle ein - nicht nur als Grundfarbe der Nationalflagge und des Sozialismus. Auf der Bühne markiert sie den Kriegsgott, im Schlafzimmer den Verlust der Unschuld. Um Konflikte und Liebe geht es auch in Cao Xueqins Roman.

Baoyu, der Erbe der Familie Jia, ist in seine Cousine Daiyu verliebt. Doch auf Wunsch seines Vaters soll er eine andere heiraten. Der Vater missbilligt nicht nur Baoyus Zuneigung zu Daiyu, sondern auch sein Desinteresse an einer Laufbahn im Staatsdienst. Baoyu liest lieber Romane und die Klassiker des Taoismus als sich mit den karrieredienlichen konfuzianischen Lehren zu beschäftigen. Er findet Männer fantasielos und trübe und hält sich daher lieber im Obergeschoss des Jia-Anwesens auf, der sogenannten Kammer, in der die Frauen leben, denn die sind seiner Meinung nach geistreich und klar wie Wasser.

Eingezwängt in gesellschaftliche Normen

Was die strenge konfuzianische Gesellschaft dem jungen Baoyu abverlangt, wird ihm bald zuviel. Er sucht eine Möglichkeit, aus den Erwartungen und Vorgaben auszubrechen - und findet schließlich einen Kompromiss. Doch in "Der Traum der roten Kammer" geht es nicht nur um Baoyus Einzelschicksal. Das Glück aller Jias steht bald auf dem Spiel, doch die Familie kann nur verlieren.

Baoyus Traum

"Er lauschte. Von irgendwoher scholl der überirdisch schöne Gesang einer Frauenstimme an sein Ohr. Gleich darauf sah er eine wunderholde Fee hinter einem Hügel zum Vorschein kommen und sacht auf ihn zuschweben. Grüßend hob Baoyu die Hände in Brusthöhe und sprach, sich verneigend, zu ihr: 'Schwester Fee, ich habe mich verirrt. Möchtest du so lieb sein, mich zu führen und mir zu sagen, wer du bist?' Die Fee erwiderte: 'Ich bin die Fee des schreckhaften Erwachens. Ich wohne nicht weit von hier, im 'Wahnreich der großen Leere' […] Nicht Zufall, sondern Vorbestimmung führt mich heute mit dir zusammen. Ich will dich in mein Reich führen und dich in meinem Palast mit einer Schale selbstgepflücktem Göttertee und einem Becher selbstgebrauten Wunderweins bewirten. Meine Mägde sollen dich mit ihrem Zauberreigen unterhalten und dir die zwölf Geistersänge vom 'Traum der roten Kammer' vorsingen. Willst du mir folgen?'"

(Cao Xueqin: Der Traum der roten Kammer. Übersetzung von Franz Kuhn)


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