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Größte Studentenproteste Von Spargelessen bis Spar Wars

Wenn Studenten protestieren, geht's gern progressiv zu. Doch Studentenproteste haben Tradition. Dieser Zeitstrahl zeigt die wichtigsten Protestbewegungen: von den Burschenschaftlern, über "68" bis zum Bildungsstreik.

Von: Beate Brehm und Jonas Krumbein

Stand: 01.12.2014

  • 1817
    Wartburgfest heute | Bild: picture-alliance/dpa

    1817

    Wartburgfest

    Heute demonstrieren Linke und Studenten gegen Burschenschaftler. Doch vor rund 200 Jahren galten die Burschen als Avantgarde progressiver Proteste. Freiheit und Nationalstaat gingen damals als Forderungen Hand in Hand. Und der Wiener Kongress war in beiderlei Hinsicht eine Enttäuschung. Am 18. Oktober 1817 trafen sich etwa 500 Studenten, damals immerhin ein Achtel der Studentenschaft, auf der Wartburg bei Eisenach und forderten einen rechtsstaatlichen Nationalstaat mit konstitutioneller Monarchie sowie grundlegende Rechte wie Eigentumsgarantie, Pressefreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz.

  • 1934
    Adolf Hitler hält Rede im Deutschen Reichstag in Berlin, 1939 | Bild: picture-alliance/dpa

    1934

    Göttinger Krawalle

    Die Burschenschaftler lehnten sich gegen das NS-Regime auf – in erster Linie aber, weil sie ab 1934 immer stärker unter Druck gesetzt wurden, um sie in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) einzugliedern. Denn zugleich waren zahlreiche Verbindungsstudenten Anhänger von nationalsozialistischen Ideen. Anfang Juni 1934 wurden von den Grundstücken der Verbindungen Fahnen entwendet. Aus Protest traten daraufhin alle Verbindungsstudenten öffentlich mit Couleur auf und verspotteten die NSDStBler. Diese schlugen zurück, später griffen auch SS, Hitlerjugend und Polizei ein.

  • 1935
    Spargel | Bild: picture-alliance/dpa

    1935

    Heidelberger Spargelessen

    Bei aktuellen Studentenprotesten marschieren die meist adeligen Mitglieder des Heidelberger Corps "Saxo-Borussia" nicht mehr in erster Reihe. Sie gelten selbst unter Corps-Studenten als konservativ. Als aber die Corps unter Hitler gleichgeschaltet werden sollten, leisteten die Borussen Widerstand: Mitglieder des Corps störten die Radio-Übertragung einer Hitler-Rede. Wenige Tage später fiel bei einem Spargelessen dann der berühmte Satz: Hitler habe "ein so großes Mundwerk, dass er den Spargel quer essen könnte". Die Saxo-Borussia wurde verboten.

  • 1943
    Filmdarsteller in der LMU | Bild: picture-alliance/dpa

    1943

    Weiße Rose

    "Entscheidet Euch, eh es zu spät ist!", lautete die Botschaft im fünften Flugblatt der wohl bekanntesten Widerstandsbewegung im Nationalsozialismus, der „Weißen Rose“ um die Geschwister Sophie und Hans Scholl. Die beiden Studierenden hatten die Schreckensherrschaft Adolf Hitlers nicht hinnehmen wollen, kämpften für Frieden und Freiheit, und wurden dafür von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt. „Es lebe die Freiheit“, war der letzte Satz von Hans, bevor er seinen Kopf unter das Fallbeil legen musste. Seine jüngere Schwester Sophie war da schon tot.

  • 1968
    Studentenproteste 1968 | Bild: picture-alliance/dpa

    1968

    Die 68er

    DIE Mutter linker Studentenproteste. Oft besungen, beschrieben, verfilmt, zum Mythos verklärt. Der Held: Rudi Dutschke, der Feind: das Establishment, müffelnde Talarträger, die BILD und die prüde Sexualmoral der 50er. Und die Bewegung war vielschichtig: Pazifismus gegen Vietnamkrieg, Feminismus, Frankfurter Schule und kommunistisches Gedankengut spielten eine Rolle. Die große Besonderheit aber war die entschiedene Forderung nach Aufarbeitung der Nationalsozialistischen Schreckensherrschaft – der wohl größte Erfolg der 68er.

  • 1976
    Proteste gegen Berufsverbote | Bild: picture-alliance/dpa

    1976

    Ersatzgeld-Kampf und Berufsverbotestreik

    Anstoß der Proteste waren ausufernde Berufsverbote gegen vermeintliche Marxisten, vor allem Vertreter der grün- und linksalternativen Bewegung, die in den Staatsdienst wollten. Selbst die gemeinhin weniger demonstrationsfreudigen Naturwissenschaftler gingen auf die Straße, besonders in Baden-Württemberg. Dort sollten Naturwissenschaftler die Mehrkosten ihrer teureren Ausbildung selbst tragen – durch Studiengebühren. Mit einem Rückmeldeboykott beschworen die Studierenden das Schreckgespenst eines Ingenieurmangels im Land der Autobauer. Die Politiker knickten ein.

  • 1988
    Rund 2000 Studenten protestieren 1988 mit einem Sternmarsch durch West-Berlin. Die Studenten wollten auf ihrer Ansicht nach unzumutbare Lern- und Lebensbedingungen aufmerksam machen | Bild: picture-alliance/dpa

    1988

    UNiMUT

    Ausgangspunkt der UniMut-Proteste war die als protestfreudig bekannte Freie Universität Berlin. Die Proteste griffen bald auf die nicht minder protestfreudigen Studierenden im schönen Marburg und im noch schöneren und ebenso protestfreudigen Frankfurt am Main über. Die Demonstranten erreichten unter anderem studentisch verwalteten Projekttutorien, die aber 2002 wieder abgeschafft wurden. Der damals ebenfalls eingeführte Reformstudiengang Humanmedizin half, die Studienbedingungen angehender Ärzte zu verbessern.

  • 1997
    Rund 3000 Studenten demonstrierten gegen das Hochschulrahmengesetz und den Bildungsabbau. Damit fiel die Resonanz auf den landesweiten Protestaufruf geringer als erwartet aus Die Veranstalter rechneten mit rund 15000 Teilnehmern. | Bild: picture-alliance/dpa

    1997

    Lucky Streik

    Der Studentenstreik 1997 gilt als bis dahin größte Studentenprotest seit der 68er-Bewegung. Die von Gießen ausgehende Demonstrationswelle richtete sich gegen die Unterversorgung der Universitäten. Am 27. November demonstrierten 40.000 Studierende im Bonner Hofgarten. Danach ebbte die Protestwelle ab. Während einzelne Hochschulen Forderungen der Studierenden erfüllten, gelang es dem selbst ernannten "Zukunftsminister" Jürgen Rüttgers (CDU) und Kanzler Kohl die Proteste auszusitzen.

  • 2003
    Ein Student verdeutlicht 2003 auf einer Demonstration gegen die geplanten Kürzungen der Hochschulbudgets vor dem Landtag von SachsenAnhalt in Magdeburg mit entblößtem Hinterteil drastisch seine Meinung. | Bild: picture-alliance/dpa

    2003

    Spar Wars

    Spar Wars ist der bislang wohl kreativste Slogan der Studentenproteste. Ende 2003 demonstrierten aufgebrachte Studierende zeitgleich in vielen deutschen Städten. Sie wollten Studienzeitkonten und Studiengebühren verhindern. Zumindest in Berlin gelang das auch. Sparen mussten dort stattdessen die Unis: rund 75 Millionen Euro bis 2009.

  • 2005
    Studentenproteste | Bild: picture-alliance/dpa

    2005

    Summer of Resistance

    Im Mai 2005 protestierten Tausende Studierende gegen die vielerorts geplanten Studiengebühren. Protesthochburg war das beschauliche Freiburg im Breisgau, wo Studierende für 13 Tage das Rektorat besetzten. In Hamburg ließ die CDU-geführte Landesregierung den Protest von der Polizei auflösen. Die Studiengebühren konnten die Studierenden auch nicht aufhalten. Sie wurden in vielen Bundesländern eingeführt, sind inzwischen aber überall wieder abgeschafft, nachdem die verantwortlichen Politiker an den Wahlurnen Denkzettel erhalten haben.

  • 2009
    Bildungsstreik 2009 | Bild: picture-alliance/dpa

    2009

    Bildungsstreik

    Beim Bildungsstreik 2009 demonstrierten deutschlandweit rund 200.000 Studierende gegen die Folgen der Einführung von Bachelor und Master-Studiengängen. Gefordert wurden die Abschaffung von Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen, weniger „Verschulung“, mehr Master-Plätze, größere Mitspracherechte, weniger Wirtschaftseinfluss und bessere Lehrbedingungen. Die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan nannte die Proteste „gestrig“. Dennoch erreichten die Studierenden unter anderem, dass Prüfungslasten in Bachelor und Master reduziert wurden.


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