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Vom Stress in die Sucht "Aus ein, zwei Bier wurden irgendwann acht oder neun"

Fast 80 Prozent der Studierenden verspüren starken Leistungsdruck. Von den Betroffenen trinkt jeder zweite zu viel Alkohol. Acht Prozent nehmen sogar Medikamente oder beruhigende Mittel ein, um den Stress zu kompensieren.

Von: Julia Schweinberger, Verena Hampl

Stand: 29.01.2020

Oft stecken die jungen Körper den Missbrauch noch weg. Hilfe holen sich Studierende meist erst, wenn es zu spät ist. Oder sie brechen ihr Studium ab – so wie Florian. Er möchte anonym bleiben, seinen Namen haben wir deshalb geändert. Bei ihm nahm der Druck immer weiter zu: Zu Beginn des Studiums musste er in fünf Tagen sechs Klausuren schreiben. Er lernte Tag und Nacht, bekam Schlafprobleme. Florian begann, zu trinken:

"Es hat angefangen mit drei Bier täglich. Irgendwann ging es über acht oder neun Bier an einem Abend. Dass das nicht die Lösung ist, war mir klar. Aber es war einfach das Ventil für den Druck und es war die Möglichkeit, einfach zu schlafen und am nächsten Morgen in irgendeinem Zwischenzustand am Schreibtisch zu sitzen und zu lernen."

(Florian, wurde zum Alkoholiker)

Die Strategie ging nicht auf: Florian scheiterte am Vordiplom, musste sein Studium beenden.

Wichtig: Mut, sich Hilfe zu holen

Florian hat sich nie Hilfe geholt. Das machen Studierende, die ihren Stress mit Drogen bekämpfen, auch sehr selten. Psychologe Thomas Blum vom Studentenwerk Augsburg hört stattdessen von anderen Suchtfaktoren, wie ausgiebigem Medienkonsum. Häufig lenken sich Studenten mit Serien oder an der Spielekonsole ab:

"Ein Problem ist, dass das Arbeitsmittel, der Computer, auch gleichzeitig ein Freizeit- und Zerstreuungsmittel ist. Es gibt schon einige, die exzessiven Spielgenuss betreiben. Es gibt auch welche, die tatsächlich für ein oder zwei Jahre in Spielwelten versinken. Die meisten kommen da aber auch wieder raus."

(Psychologe Thomas Blum, Studentenwerk Augsburg)

Eigener Leistungsdruck als größtes Problem

Ein großes Problem aber sei, so Blum, dass sich viele Studierende selbst permanent anspornen würden, mehr Leistung zu bringen: „Früher waren es ehrgeizige Eltern, die ihre Kinder unter Druck gesetzt haben. Jetzt kommen die Studenten selber und sagen: Ich möchte mehr leisten. Ich denke da zum Beispiel an einen Jurastudenten, der zwölf bis 14 Stunden am Tag lernt. Sieben Tage die Woche. Der bereits Krampfadern hat als junger Mensch. Also wir haben teilweise – würde ich sagen -Leistungsexzesse.“

Sport und soziale Beziehungen als Stressventil

Damit negativer Stress gar nicht erst aufkommt, gibt der Psychologe Tipps. Ausdauersport kann helfen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen mit guter Fitness weniger Stress empfinden. Außerdem hilft Entspannung. Die gelingt aber nur durch Training. Tägliche Meditation kann Stress abbauen.

Besonders empfiehlt Blum aber, soziale Beziehungen zu pflegen: „Freundschaften oder Partnerschaften sind wichtig. Umso näher die Beziehungen sind, umso eher gibt es auch die Chance, dass man an das Hormon Oxytocin kommt. Das ist ein Bindungshormon, das unter anderem durch körperliche Berührung ausgeschüttet wird – also auch durch Sex. Das ist also ein gutes Mittel, um Stress vorzubeugen.“

Tatsächlich ist das Treffen mit Freunden die beliebteste Anti-Stress-Strategie bei Studenten. An zweiter Stelle folgt der Medienkonsum.

Scheitern als Chance

Zurück zu Florian, der nach nicht bestandenem Vordiplom sein Studium beenden musste. Für ihn fühlte es sich an wie eine Erleichterung. Endlich konnte er wieder schlafen. Alkohol? Brauchte er nicht mehr. Das Scheitern war gleichzeitig eine Chance für etwas Neues. Er studierte ein anderes Fach und schloss erfolgreich ab. Heute steht er gut im Berufsleben und sagt selbst: „Mir geht es wunderbar.“

Gestresst, unglücklich oder mit eurem Studium überfordert? Hier findet ihr Hilfe:

Studentenwerk Augsburg
b!st Beratung im Studentenwerk
Am Silbermannpark 1 a
86161 Augsburg
Telefon: 0821/6504-240
bist@studentenwerk-augsburg.de

Studentenhilfe München e.V.
Leopoldstraße 15
80802 München
Telefon: 089/38196-142
kontakt@studentenhilfe­muenchen.de

Allgemeine Studienberatung der Uni Erlangen
Halbmondstraße 6-8
Raum 0.021
91054 Erlangen
Telefon: 09131/85-24444 oder -23333

Allgemeine Studienberatung der Uni Regensburg
Studentenhaus, Zi. 2.24
Telefon 0941/943-2219
studienberatung@verwaltung.uni-regensburg.de

Psychologische Beratung der Uni Passau
Wolfgang Wibmer
Raum VW 115
Innstraße 41
Telefon.: 0851/509-1170
Wolfgang.Wibmer@uni-passau.de


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