Historisches Bild vom Starkbieranstich
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Nockherberg-Geschichte: Ein Humpen auf den Fürst!

Heute ist Kloster Neudeck ein Gefängnis. Im 17. Jahrhundert wurde hier gebetet und gebraut. Seit dem Umzug auf den Nockherberg ist der Starkbieranstich ein Spektakel, an dem die erste Garde bayerischer Komödianten teilnahm.

1780: Der erste Starkbieranstich

Am 2. April 1780 fand in Kloster Neudeck vor den Toren Münchens der erste feierliche Salvatoranstich statt. Die aus der Oberpfalz zugewanderten Mönche hatten zum Namenstag ihres Ordensgründers Franz von Paula den Kurfürsten Karl Theodor eingeladen, der die erste Maß Starkbier bekam - wie später fast alle Wittelsbacherherrscher. Nur Ludwig II. konnte mit dem Starkbier-Spektakel wenig anfangen.

1806: Der Klosterbräu wird bürgerlich

Ein geschäftstüchtiger Münchner pachtet die Klosterbrauerei und verwandelt sie in einen florierenden Bürgerbräu: Franz Xaver Zacherl. In der neuen Gastwirtschaft gegenüber ist bald danach jeden April für acht Tage öffentlicher Starkbieranstich - ein "Event" mit Werbewirkung.

1861: Umzug auf Giesings Höhen

Der Salvatoranstich zieht um - zwar nur um einige hundert Meter. Ein steiler Aufstieg ist es doch, vom Brauereibiergarten am Auer Mühlbach ins elegante Schlösschen des Bankiers Jakob Nockher auf Giesings Höhen. Der Starkbieranstich - inzwischen umrahmt von Komödianten und Bänklsängern - entwickelt sich zum Volksfest.

1891: Die erste Rede

Der Erfolg des Nockherberg-Spektakels ist kein Zufall: Im späten 19. Jahrhundert wächst Münchens Bevölkerung rasant an - mit ihr der Durst und der Hunger auf Unterhaltung. Um 1900 kommen auf 500.000 Münchner 800 Volkssänger, die in 100 Singspielhallen um die Gunst des Publikums werben. Einer der populärsten ist Jakob "Papa" Geis, der beim Starkbieranstich 1891 ein "äußerst gewähltes Herrenpublikum" unterhält.

1922: Weiß Ferdl

Sein "Wagen von der Linie 8" hat die Zeit überdauert und fährt heute noch durchs bayerische Gedächtnis. In den 20er- und 30er-Jahren aber ist Ferdinand Weisheitinger, genannt Weiß Ferdl, eine Berühmtheit und in der Brettlszene allgegenwärtig. Auch auf dem Nockherberg, wo er überwiegend unpolitische Couplets und Sketche zum Besten gibt.

1951: Hosianna im Münchner Bierhimmel

Im vorletzten Kriegsjahr ist unter den Bombenopfern auch der Bierpalast auf dem Nockherberg. 1951 steht eine "brandneue" Salvatorhalle bereit - rechtzeitig zum 300. Jubiläum des Starkbieres. Der Schauspieler Adolf Gondrell - bekannt durch seine Version von Ludwig Thoma's "Ein Münchner im Himmel" und in der Landeshauptstadt mit einem eigenen Platz geehrt - sorgt für eher erbauliche Unterhaltung.

1954: 1 - 2 - 3 - Vierlinger!

Zwanzig Jahre lang prägt er den Stil auf dem Nockherberg und sorgt dafür, dass der Ton politischer wird: Emil Vierlinger, Moderator beim Bayerischen Rundfunk, ist als Autor und Vizegastgeber aktiv und gleich noch für die Rundfunkübertragung zuständig. Die Nockherberg wird bayernweit populär - was angesichts der mit historischen Anspielungen gespickten Texte Vierlingers heute fast erstaunt. So beschreibt er den langjährigen Ministerpräsident Alfons Goppel als "eine Synthese aus einem Obristen der katholischen Liga in Wallensteins Lager und dem Löwen von Metro-Goldwyn-Mayer".

1965: Ein alter Gruß kommt wieder

Ein bisschen ironisch, freilich. Und das geht so: Der Festredner reicht den ersten Krug Starkbier dem Ministerpräsidenten. Eduard Ille hat die Tradition vor 1900 so bedichtet: "Dort empfing den Landesvater / Barnabas der Bräuhausfrater / ihm beglückt und freudeglänzend / einen Humpen Bier kredenzend / mit dem Gruß, der bis zur Stunde / sich erhält im Volkesmunde: Salve pater patriae! Bibas, princeps optime!" Übersetzt heißt das: "Sei gegrüßt, Vater des Vaterlands! Trinke, bester Fürst!" Und dann wird eingeschenkt ...

1974: Chefderblecker mit Gitarre: der Roider Jackl

1953 war er mit seinen "Gstanzln" schon einmal Hauptakteur auf dem Nockherberg, danach ist der legendäre Volkssänger - mindestens aber sein Geist - immer mit dabei; kurz vor seinem Tod ist Jakob Roider nochmal Hauptredner. Sein Prinzip: Im Dreivierteltakt vorgetragene Vierzeiler über die Torheiten der Großkopferten und menschliche Schwächen im Allgemeinen. Seine Themen: Die Wiederbewaffnung, Studentenunruhen, die CSU und der geplante Münchner Großflughafen. Kostprobe 1962: "Gegen unsa Remilitarisierung / hört ma gar neamd mehr redn / ja wenn scho d'Sozi dafür san / bin i aa nimma dagegn."

1980: Triumphator kontra Salvator

Ende der 70er-Jahre wechseln die Redner und Autoren auf dem Nockherberg beinahe im Jahrestakt. Als Hauptredner dabei: Klaus Havenstein von der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, Franz Schönhuber, damals BR-Redakteur, und der Karikaturist Ernst Maria Lang. Die Konkurrenz ist hart: Auch Löwenbräu probiert inzwischen einen Starkbieranstich, wirbt 1973 den Roider Jackl ab, später auch Gerhard Polt an. Paulaner wagt den Neuanfang - unter anderem mit dem Singspiel, einem satirischen Musical mit Polit-Imitatoren.

1982: Burger schreibt, Sedlmayr seziert

Bisher waren die Festredner meist auch Autoren ihrer Texte. Jetzt beginnt eine neue Ära, geprägt durch ein Gehirn und ein Gesicht: Die Texte des bürgerlich-liberalen Journalisten Hannes Burger trägt Walter Sedlmayr vor - bis zu seinem gewaltsamen Tod 1990 höchst populärer Schauspieler, teurer Bier-Werbeträger und feinsinniger Spötter. Die Zusammenarbeit ist nicht einfach. Burger schildert, wie Sedlmayr einmal eine Textidee in der Luft zerfetzt und auf die Vorhaltung, sie stamme doch von ihm selbst, erwidert: "Mei, des is doch wurscht. Wenn's mir halt jetzt nimmer g'fallt!"

1992: Die Neu-Erfindung des Barnabas

1991 hätte der Festredner Toni Berger geheißen - wenn nicht der Irakkrieg zur Absage des Politspektakels geführt hätte. 1992 ist Max Grießer ist der erste Festredner, der in der Mönchskutte des hinterfotzig-salbungsvollen Braubruder Barnabas auftritt - sie ist ihm auf den Leib geschneidert, passt 1997 und 1998 aber auch dem "ersten 68er auf dem Nockherberg", Erich Hallhuber, und bis 2003 Gerd Fischer. Freilich, um mit Hannes Burger zu sprechen: "Jeder Wechsel des Zugpferds bringt Unruhe ins Gespann".

2004: Der Einzug der Kabarettisten

Nach 22 Jahren nimmt die Brauerei ihren Stammautor aus dem Rennen. Zur Hochzeit des Comedy-Booms erwächst eine Ahnengalerie politischer Kabarettisten mit Bierkrug in der Hand: Bruno Jonas (2004-2006), Django Asül (2007), Michael Lerchenberg (2008-2010) sprechen ihre eigenen Texte, was der Durchschlagskraft zugute kommt. Harmonischer war es bei Burger, der erklärte, man dürfe "das milde Politiker-Derblecken" nicht verwechseln "mit einseitig bissiger Polemik nach Art von Kabarettisten". Asül finden einige der Derbleckten denn auch zu grob, Lerchenfeld zu ernst. Und Kinseher?

2011: Bavaria statt Barnabas

2011 tritt beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg zum ersten Mal eine Frau als Fastenrednerin in die Fußstapfen ihrer bekannten Vorgänger: Luise Kinseher übernimmt für Michael Lerchenberg. Sie kommt als Bavaria, die von ihrem Podest herabgestiegen ist, um ihren Kindern - allen voran der Bayerischen Staatsregierung - die Leviten zu lesen. Nach acht Jahren verabschiedet sie sich überraschend. "Es ist eine Ära zu Ende, auch die Ära eines bestimmten Politikstils. Es müssen die Jungen her", verkündet sie nach ihrer letzten Rede beim Starkbieranstich 2018.

2019: Der erste Schwabe

Er ist der bisher jüngste Redner in der Nockherberg-Geschichte und der erste Schwabe, der 2019 Luise Kinseher nachfolgt. Aber kein Unbekannter: Schauspieler und Kabarettist Maximilian Schafroth aus dem Allgäu, 33 Jahre jung. Er entscheidet sich gegen die Mönchskutte und bringt als Fastenredner Musik auf die Bühne.