Katholikentag


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Katholikentagsgeschichten Mit Gott hinter Gittern

Fast 11.400 Menschen sitzen zurzeit in Bayerns Gefängnissen. Für die knapp 800 Häftlinge in der JVA Straubing hat der Verein Set-Free ein Angebot: Hilfe zur Selbsthilfe. Wolfgang, insgesamt 37 Jahre im Knast, hat das angenommen.

Von: Markus Deutschenbaur

Stand: 31.05.2014 | Archiv

Gefangenenarbeit Set-Free stellt sich auf dem Katholikentag vor | Bild: BR / Markus Deutschenbaur

Unter anderem wegen wiederholten Bankraubs war der heute 60-Jährige auch 15 Jahre in Straubing eingesperrt. Und drehte währenddessen so manch krumme Dinger in der Subkultur Kittchen. Dann die Shock-Diagnose: Verdacht auf Krebs. In diesem Moment sei er  innerlich zusammengebrochen, erinnert sich Wolfgang. „Das gibt es doch nicht, dass ich im Gefängnis auch noch sterben muss!“

„Lass mich leben“

Ergreifende Begegnung: Ex-Häftling Wolfgang mit Schwester Gerlindis, die sich ehrenamtlich für Set-free einsetzt.

Dann kam Gott ins Spiel – wie so oft in solchen Situationen. „Lass mich am Leben, dann werde ich meins ändern“, flehte Wolfgang. Gar nicht so einfach in einem Gefängnis, dieses Versprechen einzuhalten. Zufällig kam es in dieser Zeit zum ersten Kontakt mit Angelika Lang. Die Kriminologin und Sozialpädagogin ist die Initiatorin von Set-Free. Das aus eigener Betroffenheit als Opfer, wie sie sagt. Seit 2008 kämpft sie mit inzwischen rund 30 Ehrenamtlichen und einer Handvoll Minijobbern darum, dass Verzweifelte in Straubing wieder die Chance auf einen Neustart nach der Haftstrafe fühlen - ohne Sucht, Gewalt und Kriminalität.

Die Vorstandsvorsitzende: Angelika Lang

Sie  sei im Gefängnis daheim, sagt Lang. Und, dass Sie schon lange das Gefühl habe, dass Täter immer auch Opfer seien. Keinesfalls eine Entschuldigung für deren Taten, aber auch die einzelne Lebensgeschichte müsse einfach Teil der Wahrheit werden. Nur immer längere Strafen seien jedenfalls nicht die Lösung.

Glaube als reines Angebot

Gefängniswerk: Ein Straubinger Häftling hat dieses Bild gemalt.

Eine Art Therapie anbieten will Lang den Delinquenten in der niederbayerischen Justizvollzugsanstalt nicht, vielmehr sollen die Häftlinge in Gruppen prosoziales Verhalten lernen, oder auch nur wiederfinden, Werte wie Hoffnung und Gerechtigkeit beispielsweise. Der Zugang zum Glauben, zur Spiritualität sei dabei nie unumgängliche Grundvoraussetzung, so Lang, lediglich ein Angebot. Wolfgang sagt, er sei wieder gläubig geworden durch Set-Free.

Eine eigene Abteilung als Traum

Gesprengte Ketten: Logo von Set-Free

Lebensgeschichten wie diese werden es sein, die Angelika Lang und ihre Helfer motivieren weiterzumachen. Auch wenn das Geld an allen Ecken und Enden fehlt, weil man sich wie Set-Free allein durch Spenden finanziert, auf sie angewiesen ist wie auf die Luft zum Atmen. Aber beschweren will sich Lang nicht. Ihre Vision ist irgendwann eine eigene Abteilung in einem Gefängnis für ihre Mission, alles staatlich unterstützt. „Ich glaube, das wäre erfolgreich“, prophezeit sie nach nunmehr 25 Jahren in der Gefängnisarbeit. Eine kleine Motivationshilfe bis dahin: Auf dem Katholikentag in Regensburg bekam Set-Free für seine soziale Gefängnisarbeit den Aggiornamento-Preis des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ZdK verliehen.

Hält Wolfgangs Versprechen?

Nie wieder! Die JVA in Straubing.

Und Wolfgang? Der lebt. Und will sein Versprechen auch noch rund zweieinhalb Jahre nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis halten. Vielleicht ein untrügliches Indiz dafür, in seinem Freundeskreis sind mittlerweile gleich drei Polizisten – früher absolut unvorstellbar.


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