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Tag nach der Wahl Ein Rückzug und viele offene Fragen

Am Tag nach der Wahl herrscht Hochbetrieb in den Berliner Parteizentralen. Posten werden neu verteilt, Positionen neu verhandelt - und lang gepflegte Bündnisse in Frage gestellt. Ein Überblick.

Von: Jannik Pentz

Stand: 25.09.2017 | Archiv

Angela Mekel, Martin Schulz Alice Weidel, Christian Lindner, Sahra Wagenknecht und Katrin Göring-Eckardt  | Bild: picture-alliance/dpa, Montage BR

CDU - Das Gespräch suchen

Mit 33 Prozent bleibt die Union zwar stärkste Kraft, verzeichnet aber das schwächste Ergebnis seit 1949. In der Berliner CDU-Zentrale macht sich am Tag danach deshalb keine Feierstimmug breit. Das Verhältnis zur Schwesterpartei CSU steht auf dem Prüfstand. Außerdem stehen Kanzlerin Merkel schwere Koalitionsverhandlungen bevor.

Trotz der Absage der SPD an eine neue Große Koalition will Merkel auch Kontakt zu den Sozialdemokraten aufnehmen. CDU und CSU wollten "das Gespräch suchen sowohl mit der FDP als auch den Grünen, aber ich füge hinzu: auch mit der SPD", sagte sie nach den Gremiensitzungen ihrer Partei. Es sei "wichtig, dass Deutschland eine stabile, eine gute Regierung bekommt", betonte Merkel. Sie habe die Absage der Sozialdemokraten am Wahlabend zwar vernommen, dennoch "sollte man im Gesprächskontakt bleiben".

SPD - Kraft tanken in der Opposition

Nach dem Debakel für die SPD (20,5%) haben die Sozialdemokraten ein klares Ziel. "Unser Anspruch ist, eine starke Opposition zu sein, die die Zukunft des Landes aus dieser Rolle heraus gestaltet", sagte Spitzenkandidat Martin Schulz in Berlin. "Diesen Auftrag werden wir annehmen". Das Kapitel Große Koalition ist für die SPD also endgültig beendet.

Im Bundestag stellen sich die Genossen neu auf: Die bisherige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles soll Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion werden. Parteichef Martin Schulz schlug Nahles den SPD-Gremien als neue Chefin der Fraktion vor, wie es aus Parteikreisen verlautete.

AfD - Ärger um Petry-Rückzug

Mit 12,6 Prozent zieht die AfD erstmals in den Bundestag ein, ist nach Union und SPD drittstärkste Kraft im Parlament. Den Gang ins Parlament geht die AfD allerdings ohne ihre Parteichefin. In einer Pressekonferenz hatte Frauke Petry angekündigt, sie werde kein Teil der neuen AfD-Fraktion im Parlament sein. Stattdessen woll sie sich für einen "konservativen Neuanfang" positionieren. Ob sie dafür eine neue Partei gründen will, ließ sie offen.

AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland warf Petry daraufhin mangelnde Solidarität vor: "Ich habe mich im Wahlkampf nicht gut unterstützt gefühlt von Frau Petry. Frau Weidel und ich haben eine Menge Termine übernommen, die sie plötzlich abgesagt hat." Von daher sei er skeptisch, ob Petrys Entscheidung, der AfD-Bundestagsfraktion nicht angehören zu wollen, "nur ein Verlust" sei.

FDP - Neuer Platz in der Mitte

FDP-Chef Lindner am Wahlabend

Nach vier Jahren Abstinenz ist die FDP mit 10,7 Prozent der Stimmen wieder in den Bundestag eingezogen. Nun wollen sich die Liberalen als "Partei der Mitte" und der "vernünftigen Argumente" präsentieren. Dieser Platz in der Mitte sei in den vergangenen vier Jahren im Parlament verwaist gewesen und werde nun gefüllt, sagte Christian Lindner, der nun auch neuer Fraktionschef wird.

Lindner signalisierte Bereitschaft zu Koalitionsverhandlungen und einer möglichen Regierungsbildung. offenbar hat es dazu bereits einen entsprechenden Anruf gegeben. Die FDP trete aber für eine Trendwende und eine andere Richtung der Politik ein. "Wenn das nicht möglich ist, dann wäre unser Platz die Opposition", so der Parteichef.

Linke - Suche nach dem rot-roten Schulterschluss

Die Linke konnte bei der Wahl ihr Ergebnis um 0,6 Punkte auf 9,2 Prozent verbessern. Für Parteichef Bernd Riexinger ist deshalb klar: "Wenn man Wahlen gewinnt, muss man sich nicht personellen Diskussionen aussetzen. Für eine personelle Debatte in der Führung gibt es keinen Grund." Die Führungsriege der Linken will demnach auch nach der Bundestagswahl in unveränderter Aufstellung weitermachen.

Für die Parlamentsarbeit in den nächsten vier Jahren hat die Partei ein klares Ziel. "Die AfD muss wissen: In uns findet sie den härtesten Gegner", sagte Riexinger. Man werde sich nationalistischen und rassistischen Positionen entschieden entgegenstellen. Zugleich werde seine Partei weiter auf eine andere Sozialpolitik drängen.

Grüne - Bereit zu Verhandlungen

Parteichef Özdemir

Die Grünen legen mit 8,9 Prozent zwar leicht zu, werden im neuen Parlament aber die kleinste Fraktion bilden. Am Tag nach der Bundestagswahl hat die Partei ihre Bereitschaft für ernsthafte Sondierungen mit Union und FDP über eine Jamaika-Koalition betont. Es sei klar, dass alle Kompromisse machen müssten, sagte Parteichef Cem Özdemir. "Ich weiß, dass wir nicht die stärkste Fraktion sind in solchen Gesprächen." Am Ende müssten die Grünen das Ergebnis aber guten Gewissens vertreten können.


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