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Sakrale Verpackungskunst Reliquienfasser Reinhard Zehentner

Nur wenige Klosterfrauen waren früher mit der Kunst des Reliquienfassens vertraut. Reinhard Zehentner ist einer der letzten, der dieses Handwerk noch beherrscht - und sein Fachwissen ist überaus geschätzt.

Stand: 25.03.2014 | Archiv

Seit Karl der Große sich in Rom Reliquien für seine Kaiserpfalzen beschaffte, begann in Europa der Ansturm auf die „Heiligen Leiber“. Für Adel und Klerus, später auch für das Bürgertum, war der Besitz von Reliquien Ausdruck höchster Macht. Auch heute noch muss in jeden katholischen Altar eine echte Reliquie - zum Beispiel ein Knochenpartikel eines Heiligen - eingearbeitet sein.

Im Kloster St. Konrad in Altötting liegen die Gebeine des Heiligen Konrads von Parzahm, der im 19. Jahrhundert hier wirkte und 1934 heiliggesprochen wurde. Aus seinen Reliquien werden immer noch Stücke entnommen.

"Ich habe mich schon als kleines Kind für Reliquien interessiert. Die erste Fassung von mir war die „Selige Giesela von Ungarn“, die in Passau Niedernburg ist, die erste christliche Königin. Und das spricht sich dann rum, da gibt es einen, der kennt sich da aus, dem kann man vertrauen. Dann kommen jedes Jahr ein, zwei neue Heilige."

Reinhard Zehentner, Reliquienfasser

Reinhard Zehentner beherrscht das seltene Kunsthandwerk der Reliquienfassung.

Zehentner hat auch den Habit Konrad von Parzhams restauriert und dessen Finger neu gefasst: Als man Bruder Konrad 1912 für die Seligsprechung exhumierte, war sein Körper verwest. Nur der Finger, an dem der Mönch seinen Rosenkranz trug, war sonderbarerweise mumifiziert.

"Mein Urgroßvater war um 1890 auf der Walz und hat damals an der Pforte vom Bruder Konrad ein Stück Brot bekommen. Für mich war es schön, dass ich einen Teil der Hände, die meinem Vorfahren Brot gegeben haben, fassen durfte."

Reinhard Zehentner, Reliquienfasser

Da der Transport der Reliquien zu riskant ist, arbeitet der Reliquienfasser aus Mühldorf meistens vor Ort. Die filigranen Draht- und Perlenarbeiten fertigt er nach alter Technik in stundenlanger Handarbeit.

"Man kommt dann richtig in so einen Rhythmus rein, man hat seine gewissen Gedanken, denen man so nachhängt, und das ist irgendwie schön, das ist fast meditativ. Das ist auch eine gewisse Sucht von mir, dran zu arbeiten, und manchmal muss man sich schon richtig zwingen: so jetzt ist für heute Schluss."

Reinhard Zehentner, Reliquienfasser

Eine Reliquie ersten Grades.

Es gibt drei Arten von Reliquien: Knochen, Haare oder Blut des Heiligen sind Reliquien ersten Grades, zweiten Grades sind Kleidungstücke oder persönliche Gegenstände. Und dann gibt es noch die Berührungsreliquien. Das kann alles sein, was eine Reliquie ersten Grades berührt hat.

"Der Gläubige wollte seit Jahrhunderten immer schon ein Stück von der Gnade, die von einem Gnadenbild ausgeht, mit nach Hause nehmen. Im Mittelalter gab es die verrücktesten Sachen. Wenn die Gnadenbilder und die Reliquien gezeigt wurden, hat man Spiegel hochgehalten, um im Spiegel den Gnadenstrahl zu fangen und mit nach Hause zu nehmen, und das hat man dann irgendwann einfacher gelöst und diese Schleierbilder gemacht, die es ja seit 1737 in Altötting gibt."

Reinhard Zehentner, Reliquienfasser

Aus den Stoffbändern, die das Gnadenbild der Schwarzen Madonna von Altötting berührt haben, fertigt Reinhard Zehentner Schleierbilder und Schleierbriefchen. Das macht er, genau wie seine Drahtarbeiten und Fassungen, ehrenamtlich. Hauptberuflich arbeitet er beim Landesamt für Denkmalpflege.

"Als die Schwester Ancilla vor ein paar Jahren gestorben ist, da wäre diese Tradition erloschen, die über Jahrhunderte existierte, und das tut mir leid, dass man das dann irgendwie eingehen lässt, weil es einfach bedeutend war, für Altötting hier, die haben auch oft bis zu 10.000 Schleierbilder angefertigt."

Reinhard Zehentner, Reliquienfasser

In Seide gehüllt und mit Perlen verziert, lässt Zehentner den Knochenpartikel des Heiligen Konrad von Parzham, den er dem Schrein mit Reliqienresten entnommen hat, in eine vom Goldschmied angefertigte Kapsel ein und verschließt sie mit Golddraht. Der Abschluss einer Arbeit ist auch für ihn immer noch ein spannender Moment.

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Im Bauernmuseum Bamberger Land läuft vom 30. März bis 2. November 2014 die Sonderausstellung "Klosterarbeiten, Flitterkränze, Haubenspiegel - „Schöne Arbeiten“ für Andacht und weltliche Zier." Darin sind auch Arbeiten von Reinhard Zehentner zu sehen.


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