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Zwischen Spessart und Karwendel Das "Augsburgische Kochbuch" - Kulinarische Zeitreise

Es war ein Bestseller des 18. Jahrhunderts: das Kochbuch von Sophie Juliane Weiler. Die Fuggerstadt war damals ein kulinarisches Zentrum. Dementsprechend erlesen und exotisch wurde aufgekocht. Doch schmecken die Gerichte auch noch heute?

Stand: 15.05.2021 | Archiv

"Es ist leichter Tadeln, als besser machen"

Das sind die ersten Zeilen des "Augsburgischen Kochbuchs" von Sophie Juliane Weiler. 1788 zum ersten Mal erschienen, wurde es schnell zum Besteller und über 70 Jahre verlegt, weit über den Tod der Herausgeberin hinaus.

Im Vordergrund ein "Laubfrosch" aus einem Mangoldblatt, im Hintergrund der süße Braten-Auflauf und ein Stückchen vom "Verdeckten Ei".

Staunend liest man, wie erlesen im Augsburg des 18. Jahrhunderts gespeist wurde: Citrusfrüchte, Zimt und Ingwer; Austern, Krebse, Fischrogen.

Es gibt süße Suppen, aufwendige Pasteten und allerlei Knöpflein, wobei "Knöpflein" nicht einfach als "Spätzle" übersetzt werden können.

Eines der ersten Lehrkochbücher für das gehobene Bürgertum

Eier ausblasen - das kommt in der Arbeit von Spitzenkoch Simon Lang sonst selten vor.

Doch im Kochbuch der Weilerin, sie war Protestantin, Gattin des Diakons der Barfüsser und fünfzehnfache Mutter, findet sich keine opulente Schauküche, wie sie noch im Barock en vogue war. Sie lehrt vielmehr sparsames Kochen, Haltbarmachung und Resteverwertung.

Dass es ein solcher Besteller wurde, war zum einem dem Ruf Augsburgs zu verdanken.

"Augsburg hat natürlich eine immens hohe Bedeutung im 18. Jahrhundert, schon seit den Reichstagen. Das war der Verkehrsknotenpunkt, das gesellschaftliche Zentrum, einer der größten Städte in Deutschland, und damit war es natürlich auch eine kulinarische Hauptstadt."

Christoph Trepesch, Direktor der Augsburger Kunstsammungen

Zum anderen wählte die Protestantin Weiler einen vertriebsstarken katholischen Verlag und schaffte es dauerhaft einen erschwinglichen Preis festzulegen. Von 1788 bis 1860 war das Augsburgische Kochbuch immer gleichbleibend  für 1 Gulden 30 zu haben.

Doch was taugt das Augsburgische Kochbuch im 21. Jahrhundert?

Der süße Auflauf vom kalten Braten hat die Test-Köche positiv überrascht.

Der Augsburger Spitzenkoch Simon Lang, der Münchner Gastrosoph Peter Peter, die Augsburgerinnen Ulli Weissbeck, Töpferin und Chormitglied bei den Barfüßern, und Susanne Lettau, Kirchenpflegerin bei den Barfüßern, haben sich für uns auf ein Experiment eingelassen und vier ungewöhnliche Rezepte von 1788 (aus der 2. Auflage des Kochbuchs) nachgekocht:

Rezepte aus dem Augsburgischen Kochbuch

Chocolade=Suppe

Ulli Weissbeck und Susanne Lettau haben die Bier-Variante der „Chocolade-Suppe“ gekocht:

Setze ein Seidlein (oder halbe Mass), gute Milch, oder süßen Raum zum Feuer. Man kann auch Wein oder weiss Bier nehmen. Thue es, sobald es anfängt zu sieden, vom Feuer, rühre 3 oder 4 Löffel voll Chocolade, nachdem man es dick oder dünne verlangt, auch etwas Zucker hinein, und lass es unter stätem Umrühren noch ettliche Wall aufthun. Indessen zerklopfe 2 oder 3 Eierdotter mit einem Löffel frischen Wasser, dass sie nicht zusammen gerinnen. Nimm die Chocolade vom Feuer und rühre die Eierdotter damit an.

Mandel=Knöpflein

Stoße einen Vierling abgezogene Mandeln recht fein, mit ein wenig Rosen- oder frischem Wasser ab; weiche ein  in der Mitte zerschnittenes Kreutzerrögglein in Milch ein, drucke es hernach wieder recht fest aus, und mische es unter die gestossene Mandeln; thue Zucker und gestossenen Zimmet dazu, schlage ein paar Eier daran und mache alles recht durcheinander. Indessen lasse Schmalz in einer Pfanne heiß werden,  Lege von dem Teig ganz kleine Knöpflein darein, und backe solche langsam und schön gelb heraus. Diese Knöpflein gehören in alles süßen Suppen, nur zu Wein- und Bier-Suppen nicht.

Laubfrösche

Hierzu nimmt man recht schöne große Spinat-Blätter, oder die Blätter von Mangold; schneidet die Stiehle davon weg, wäscht sie sauber, brühet sie mit siedendem Wasser ab, und deckt das Geschirr, worinnen sie abgebrüht worden sind, gleich zu. Das Gefüll (Fars) macht man auf folgende Art: Man reibe von weißem Brot die Rinde ab, schneide es von einander, weiche die Brodsam in Milch ein, drücke es wieder fest aus und dämpfe es in einem Stück zergangene Butter. Wems beliebt, kann ein wenig recht fein gewiegtes Peterlingkraut und Schnittling dazu thun. Wann dies geschehen ist, so rühret man so viel Eier daran, dass es nicht verläuft, und thut Salz, ein wenig Muskaten=Blüthe oder Nuß dazu. Nun legt man die abgebrühten Blätter in einem Seiher, daß sie recht ablaufen. Hernach nimmt man sie auf einem Deckel heraus, füllt in jedes einen Löffel voll von der Fars; wickelt, wann es Spinat ist, noch etliche andere Blätter darüber, ist es aber Mangold, so braucht man nur ein Blatt, welches man recht übereinander zusammen schlägt. Wann man mit allem fertig ist, so läßt man in einem flachen Fußhafen Butter zergehen, legt die Laubfrösche darein, und läßt sie eine halbe Viertelstunde dämpfen.

Nun wendet man sie um, und wann sie noch einen Weile gedämpft haben: gießt man ein wenig siedende Fleischbrühe oder am Fastentage Wasser daran, röstet ein wenig Mehl im heißgemachten Butter ganz hellgelb darein; und wann sie mit diesem noch eine halbe Stunde gekocht haben, richtet man sie an; reibet Muskatnuß darüber, und trägt auf. Simon Lang und Peter Peter haben die Variante „Süßer Auflauf von kaltem Braten“ gekocht.

Verdeckte Eier

Die Eier werden recht sauber abgewaschen, und abgetrocknet; dann werden unten und oben kleine Löcher darein gemacht, und die Eier ausgeblasen. Das Weiße und Gelbe wird alsdann mit Salz, ein wenig Pfeffer, und wann es 6 Eier sind, einer guten Handvoll durch einander gemischte und so fein als möglich gewiegte und gehackte Kräuter, als Peterling, Schnittling, Körbel, und Sauerampfer, recht stark zerkleppert; die ausgeblasende Eier wieder damit ausgefüllt, die Löcher aber mit Teig, der mit Eierweiß und ein wenig Mehl angemacht wird,  gut verschmiert in siedendes Wasser gelegt.

Darauf läßt man sie so lange sieden, bis sie hart sind. Wann dieß geschehen ist; und die Eier kalt sind: so werden sie abgeschält; und noch einmal in zerkleppertem Ei umgewendet, mit Semmelmehl bestreuet, und im Schmalz gebacken, oder mit Mehl bestreut, an einen ganz dünnen Spieß gesteckt, mit zergangenem Butter begossen, und so lang auf Kohlen umgewendet, bis sie recht schäumen, so sind sie fertig. Nun kann man einen Raum=Sardellen oder Butter=Soße machen, in eine Schüssel anrichten, die Eier darein legen, und so auftragen; oder man kann die Eier auch zerschneiden und zum Garniren der Zugemüßer an Fastentagen gebrauchen.
(Den letzten Teil des Eier-Rezepts konnten die Herren aus Zeitgründen nicht mehr realisieren. Zudem schafften sie es auch nur 3 Eier heil Auszublasen und wieder zu Befüllen. Dann haben sie zwei der gekochten Eier gleich gegessen, daher wäre ohnehin nur noch 1 Ei zum Braten oder Grillen übrig gewesen. ;- )

Auflauf von kaltem Braten

Man hackt den übriggebliebenen Kalbsbraten mit etwas Citronenschaalen, und wems beliebt mit Sardellen, recht fein; rühret dieses, wann es ein halbes Pfund Fleisch ist, mit 2 Hand voll im Schmalz geröstetem Semmelmehl; Muskatennuß, einem Löffel voll Kappern, 2 ganzen Eiern und 2 Dottern und noch so viel süßen Raum an, daß es wie ein dickes Mus ist, so nicht mehr aus einander läuft. Dann bestreicht man ein Blech mit einem Rand dick mit Butter, bestreut es mit Semmelmehl,  thut das Angerührte darein, und läßts im Ofen backen. Dazu kann eine Eier=Sardellen oder Citronen=Soße gegeben werden.

Süßer Auflauf von kaltem Braten

Wird auf die nämliche Art gemacht, nur das Kappern, Sardellen, Muskatennuß und Salz weggelassen werden; und statt deren Zucker, kleine Weinbeere, klein geschnittene Citronenschaalen, und wems beliebt, Zimmet genommen werden.

Wer weiter im "Augsburgischen Kochbuch" stöbern möchte:

Über den OPAC Plus der Bayerischen Staatsbibliothek kann man ohne Anmeldung verschiedene Ausgaben des "Augburgischen Kochbuchs" digital lesen und sogar kostenfrei downloaden. Einfach im Katalog "Sophie Juliane Weiler" eingeben und bevorzugte Ausgabe auswählen.

Und wer lieber das reale Buch in den Händen halten will, kann natürlich auch in Antiquariaten oder in Onlineportalen, zum Beispiel ZVAB. Nach dem "Augsburgischen Kochbuch von Sophie Juliane Weiler" suchen. Viele Exemplare sind auf dem Markt. 


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