BR Fernsehen - Unter unserem Himmel


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Julia Seidl Die Geschichten hinter den Gesichtern

Stand: 06.02.2014 | Archiv

Die Autorin Julia Seidl  | Bild: BR

Eine Kindheit inmitten von Antiquitäten hat Julia Seidl im niederbayerischen Landau verbracht, denn ihre Eltern waren leidenschaftliche Sammler und ihr Haus vom Keller bis zum Dachboden voll mit schönen alten Sachen. Das hat ihre Tochter geprägt, aber auf eine andere Art: Sie wurde neugierig auf die Geschichten, die hinter den Dingen verborgen sind. Wem haben sie früher gehört? Und wie sah das Leben zu ihrer Zeit aus?

Wissenschaftliche Antworten fand Julia Seidl später an der Uni München, wo sie Geschichte, Volkskunde und Deutsch studierte. Ihr Interesse an besonderen Menschen und spannenden Geschichten führte sie zu den Medien. Erst schrieb sie Artikel für die "taz" und "ZEIT", dann für den Hörfunk und war für BR, WDR und Deutschlandradio tätig. Ein solides, journalistisches Fundament bot ihr 1995 das Volontariat beim BR, bei dem sie auch die Sendungen "Unter unserem Himmel" und "Zwischen Spessart und Karwendel" kennenlernte. Daraus ist ihre berufliche Heimat geworden.

Denn hier zeigt man die vielfältige Seite der bayerischen Kultur und erzählt Geschichten über Menschen, die ihrer Heimat verbunden sind. Ohne Nostalgie, lebendig und ungekünstelt – so stellt Julia Seidl sie in ihren Filmen vor, wobei sie – wie bei Antiquitäten – immer nach dem Einzigartigen sucht: Eine mutige Bauernfamilie, die neue Wege in der Landwirtschaft geht, ein jovialer Gärtner im Münchner Nordfriedhof, der skurrile Wiesn-Installateur auf dem Oktoberfest oder der wagnersüchtige Taxifahrer in Bayreuth.

Julia Seidl  hat auch einen Sinn für mutige Lebensentwürfe. Über die Extrembergsteigerin Bärbel Hirschbichler berichtete sie ebenso wie über eine alte Landhebamme. Der Film über moderne "Münchner Originale", den sie zusammen mit Tom Fleckenstein drehte, wurde mit dem Herwig-Weber-Preis 2010 ausgezeichnet.

Besonders ans Herz gewachsen ist ihr das Ehepaar Sigl, das im Bayerischen Wald von einer winzigen Rente lebt und alle Lebensmittel selbst anbaut. Drei Jahre lang hat sie die Beiden für den BR begleitet; ihre Langzeit-Beobachtung wurde in mehreren Teilen gesendet. 2012 ist Julia Seidls Buch "Anni und Alois. Arm sind wir nicht" erschienen.

Althergebrachtes erhalten kann man nur, wenn man es immer wieder mit neuem Leben füllt. Dazu will Julia Seidl in den Filmen motivieren, die sie für "Unter unserem Himmel" dreht: Sie zeigen Leute, die selber Brot backen, Heilkräuter anbauen oder Handarbeiten machen. In diese Reihe sollte auch ihr Film über Bienenhonig passen, doch er brachte eine andere Erkenntnis: Gute Ideen und guter Wille nutzen nichts, wenn die Nachteile einer globalisierten Welt  die Qualität unserer Lebensmittel und die Existenz ihrer Erzeuger bedroht. Auch ihr Film über Obstbauern am Bodensee brachte eine ernüchternde Bilanz. Julia Seidl will sich vermehrt solchen Themen widmen, auch wenn manche sie nicht gern hören. Doch ihre Filme sind nicht pessimistisch: sie zeigen immer auch Menschen, die Alternativen bieten und Wege in eine bessere Zukunft aufzeigen.


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