BR Fernsehen - STATIONEN


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Sonntagsritual Faszination "Tatort"

Von Kommissar Beck bis Kommissarin Lucas, SOKOs von Kitzbühl bis Wismar, Polizeiruf und Fahnder: Krimis sind Kult im Fernsehen. Allein der Tatort vergangenen Sonntag hatte 13,3 Millionen Zuschauer. Was fasziniert uns an Verbrechen?

Stand: 26.09.2016

Making of | Bild: BR

Im Herbst 2016 kommt die 1000. Folge der beliebtesten deutschen Krimireihe über die Mattscheibe. Seit 1970 wird mindestens einmal die Woche erstochen, erwürgt und erschlagen - und die Menschen schauen dabei leidenschaftlich gerne zu. Im Tatort geht es aber nicht vorrangig um den Mord. Viel mehr werden menschliche Abgründe hinterfragt und existentielle Themen des Lebens erörtert, auf die der Zuschauer Antworten sucht.

Tatort ersetzt Gottesdienst

Miroslav Nemec liest aus seinem Krimi | Bild: Krimifestival München / Sabine Thomas zum Artikel Verkaufsschlager Krimi Mörderische Geschichten

Was fasziniert die Menschen am Bösen? STATIONEN beschäftigt sich mit den Abgründen von Mord und Totschlag. [mehr]

Der Sonntags-Tatort ist zu einem Ritual geworden - zwischen acht und 13 Millionen Menschen schalten jeden Sonntagabend ein. Am beliebtesten sind übrigens die Ermittler aus Münster, Kommissar Thiel und sein Pathologe Boerne. Drehbuchautor und Dozent Martin Thau, der viele Tatorte analysiert hat, kommt zu einer interessanten These: Das Ritual des Tatortschauens löst zunehmend den sonntäglichen Gottesdienstbesuch ab, beide Aktionen weisen ihm zufolge gewisse Ähnlichkeiten auf. In beiden Fällen werde der Mensch an eine Instanz gekoppelt, die in der Lage sei, in einer aussichtslosen Situation Sinn zu stiften. Die bedrohlichen Situationen, wie beispielsweise der Tod, werden mit Gründen versehen, die sie erklärlicher und verträglicher machen.

"Man geht auch nicht mehr zur Kirche, stattdessen guckt man Tatort. Das ist zumindest eine Korrelation. Dann könnte man das sagen, der Tatort ersetzt die Messe, die ein Sinnstiftungsinstrument ist. Der Tatort versichert uns letztlich, dass es in der Welt trotz aller Schwierigkeiten doch noch sinnvoll zugeht und das macht die Messe auch."

Martin Thau, Studienleiter der Drehbuchwerkstatt München

Tatortkommissare in der Priesterrolle

Dozent Martin Thau lehrt an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, wie man Krimidrehbücher schreibt. Die Tatortkommissare sieht er nicht nur als Ermittler und Verbrecherjäger, sondern schreibt ihnen noch ganz andere Funktionen zu.

"Der Tatort zeigt, wie eine Bedrohung des menschlichen Lebens durch deren Aufklärung beseitigt wird. Diese Kommissare haben dabei etwas Priesterliches, und zwar in der Art, wie sie die Gesellschaft betrachten und auch beraten, sie haben auch einen Rat zu geben."

Martin Thau, Hochschule für Fernsehen und Film München

Was fasziniert die Menschen am Bösen? Und was passiert, wenn Mord und Totschlag nicht mehr nur Fiktion sind, sondern Wirklichkeit? Wie werden Menschen zu Mördern? "stationen." ermittelt bei Kriminalisten, Schauspielern und einem psychiatrischen Forensiker.

Alle Beiträge der Sendung

  • Tatort: die erfolgreichste Krimireihe Deutschlands
  • Vom Mörder inspiriert: Krimi-Pfarrer Felix Leibrock
  • Die wahren Fälle von Kriminalkommissar Josef Wilfling
  • Über den Umgang mit der Schuld: Täter und Seelsorger

STATIONEN

Mittwoch, 28.09.2016, 19:00-19:30 Uhr
Die Faszination des Verbrechens
Kirche und Kriminalfälle


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