BR Fernsehen - puzzle


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Der Film "Das Golddorf" ... und was danach geschah!

Was passiert, wenn heimatliebende Bayern auf heimatlose Flüchtlinge treffen? So wie in dem schönen Dorf Bergen im Chiemgau, wo 50 Flüchtlinge aus Eritrea, Syrien und Afghanistan untergekommen sind. Dieser Frage war Carolin Genreith in ihrem Dokumentarfilm "Das Golddorf" nachgegangen. Ein Jahr später fragt "puzzle": Was ist in dem Ort seitdem geschehen?

Stand: 16.09.2016

Dorfplatz von Bergen | Bild: BR

Es war schon gewöhnungsbedürftig für beide Seiten; für die Flüchtlinge, die nach Bergen kamen und die Einheimischen, vor drei Jahren. Noch vor dem großen Flüchtlingsstrom im vergangenen Jahr. Irgendwie arrangierte man sich.

Der Syrer Ghafar wusste noch nicht, was aus ihm wird. Und aus seiner Frau und seinen beiden Kindern. Für ihn hatte das Warten auf eine Zukunft letztes Jahr ein Ende. Inzwischen ist die Familie vereint. Sie haben Asyl bekommen und leben in Berlin. Der andere Protagonist der Doku, der Eritreer Fishatsyon, harrte weiterhin im Ungewissen. Bis vor Kurzem. Jetzt hat er eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre bekommen.

Bürgermeister Stefan Schneider

Aus dem Ort Bergen gibt es aber eine neue Geschichte zu erzählen. Sie handelt von abgebrochener Integration. Und hat mit dem Thema Unterkünfte zu tun. Das Hotel und ein Wirtshaus, die Unterkünfte, in denen Flüchtlinge untergebracht waren, mussten aufgelöst werden. Aus Kostengründen. Bürgermeister Stefan Schneider steht hinter dem Beschluss des Landratsamts, denn viele bereits gemietete Immobilien für Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis stehen leer. Dennoch hätte er sich einen anderen Ausweg gewünscht.

"Es ist natürlich eine menschliche Katastrophe, wenn Flüchtlinge seit fast drei Jahren in Bergen sind und jetzt Bergen verlassen müssen. Die Kostenrechnung nur auf die Miete der Häuser zu reduzieren, ist meines Erachtens viel zu kurz gesprungen. Nicht eingerechnet sind hier allein die Leistungen der Helferkreise, des Deutschunterrichts, die Fahrtkosten in den nächsten Ort, die nun entstehen. Dieses alles zu berechnen, darf man nicht nur an der Miete festmachen. Das ist zu kurz gesprungen."

Bürgermeister Stefan Schneider

Die neue Unterkunft

Betroffen sind im Moment 17 Afrikaner aus dem Senegal und aus Gambia. Sie wurden 30 Kilometer von Bergen in ein alleinstehendes Haus umgesiedelt. Abgeschnitten vom Dorfleben, dem Helferkreis, ohne Arbeit und Beschäftigung und mit schlechter Verbindung der öffentlichen Verkehrsmittel. Dort sitzen sie nun und warten, was weiter passiert. Vor die Kamera möchten sie nicht mehr treten.

Die Flüchtlinge hatten gegen diese Umsiedelung protestiert, mehrere Tage, mitten auf dem Dorfplatz. Sie wollten eine Unterkunft, in der es leichter wäre, Kontakt mit anderen Menschen zu schließen.

Als in Simbach die Hochwasserkatastrophe war, unterbrachen sie ihren Protest und halfen bei den Aufräumarbeiten. Für kurze Zeit waren sie Helden und im Fernsehen zu sehen.

Der Senegalese Mamadou Muteba lebt noch in Bergen und hat bis Ende des Jahres Arbeit. Dann droht auch ihm der Umzug und das Nichtstun.

"Ich arbeite im Altersheim Bergen. Schon seit zwei Jahren bin ich Küchenhelfer. Aber ich möchte mich in meiner Arbeit weiterentwickeln. Ich möchte eine Ausbildung als Pflegehelfer machen, aber ich darf nicht. Meine Chefin will mir helfen, aber WIE?"

Mamadou Muteba

Monika Berlitz und Mamadou Muteba

Nachdem Senegal zum sicheren Herkunftsland erklärt wurde, gibt es keinen Asylgrund mehr. Und die Arbeitsbewilligungen der Bergener Senegalesen wurden nicht mehr verlängert. Abschieben geht aber nicht, weil das Land niemanden aufnimmt. Bleibt für sie nur: untätig sein und abwarten. Monika Berlitz engagiert sich im Netzwerk der Flüchtlingshelfer.

"Hierbehalten muss man sie ja sowieso. Dann ist es vernünftiger, sie zu beschäftigen, mit Arbeit, mit sozialer Arbeit, wie auch immer, als sie irgendwo abzustellen, wo sie unbeschäftigt sind, sich langweilen, sich wirklich langweilen - also man kann sich offenbar auch zu Tode langweilen - und wo dann auch die Gefahr besteht, dass sie auf dumme Gedanken kommen."

Monika Berlitz

Gerade vor zwei Tagen ist Monika Berlitz über 60 Kilometer gefahren, um die Flüchtlinge zu besuchen. Sie sind deprimiert und niedergeschlagen, sagt sie.

"Ich denke schon, dass dahinter die Absicht steckt, diesen Flüchtlingen das Leben nicht komfortabel zu machen, sondern ein bisschen Druck auf sie auszuüben, in der Hoffnung, dass sie dann freiwillig nach Hause gehen. Oder, dass sie wenigstens denjenigen, die da noch sind, sagen: Es lohnt sich nicht hierher zu kommen."

Monika Berlitz

Auch der Bürgermeister von Bergen hätte sich für die Flüchtlinge aus dem Senegal und Gambia eine andere Lösung gewünscht.

"Es war ein gelungenes miteinander Leben. Die kamen alle unter bei uns, hatten Arbeit, das ist die beste Chance für Integration. Zu arbeiten, zu sprechen, Geld zu verdienen. Kostenmäßig nicht mehr dem Staat, dem Sozialstaat auf der Tasche zu liegen. Und das wurde genommen. Und das verstehe ich überhaupt nicht."

Bürgermeister Stefan Schneider

Dieses Beispiel aus Bergen zeigt: Machbarkeit, Vernunft und Realität gehen beim Thema Flüchtlingspolitik manchmal leider auseinander.

Autorin des Filmbeitrags: Fatema Mian


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