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Jesus vom Monopteros "Come down you angels!"

Er ist Lebenskünstler, Dichter, Esoteriker mit einer Menge Thesen und einigen Jüngern. Und: Er nennt sich Jesus. Ihn kennt hier jeder, der in den 90er Jahren im Englischen Garten unterwegs war und den Monopteros besucht hat.

Stand: 27.08.2013 | Archiv

Mann mit blauen Augen und graumelierten, langen Haaren und Vollbart | Bild: BR

Gerne atmet er die Morgenluft ein, hoch oben am Monopteros. Der Blick auf die Türme der Stadt wirkt einfach inspirierend. Die Finger und Füße kann er dabei selten ruhig halten: Er trommelt auf den Oberschenkeln, heißt die Engel willkommen. Und seine "Mit-Jesuse". Ein wenig entrückt mag die Szene auf den einen oder anderen Passanten wirken. Doch Tobias Ranzinger verbringt gern ein wenig Zeit mit "Jesus". Aber wo bleiben die Engel, die er ständig ruft? Die sieht Tobias zunächst nicht. "Jesus" klärt ihn auf: Jeder hier im Park ist für ihn ein Engel. Immerhin gibt es ja auch die gefallenen Engel. Für "Jesus" ist seine Suche nach den Engeln völlig logisch - schließlich befindet er sich ja im "Engelgarten" wie er den Englischen Garten auch nennt.

Vom Charlie zum "Jesus"

Tief einatmen!

Für ihn war der Stadtpark tatsächlich so etwas wie ein Schutzengel: Früher, als man ihn noch Charlie nannte, machte er in Werbung, verdiente gutes Geld, übernahm Aufträge von Fast-Food-Firmen. Ein persönliches Drama setzte all dem ein jähes Ende: Er stieg aus. Raus aus dem normalen Leben, voll Geld, voll Sicherheit.

Der Monopteros - die Heimat von "Jesus"

Wiederauferstanden ist er dann am Monopteros, wo er neun Jahre lang mit seinen "Jüngern" lebte. Den Namen Jesus hat er sich nicht etwa anmaßend selbst gegeben. "Zum Namen Jesus möchte ich noch mal erinnern, dass ich Jesus in mir fühle und auch alle anderen als Teil, als Söhne der Schöpfung betrachte", erklärt er Tobias Ranzinger. Empfangen hat er dieses Gefühl ganz besonders stark, in einem Moment der Enge in Los Angeles. Bedrängt von den Millionen sei er gewesen, von dem Wahnsinn, wie in einem Käfig - und da wurde ihm bewusst, dass wir doch eigentlich alle im Garden Eden wohnen. Sein Garden Eden ist der Englische Garten geworden.

Parkverbot

Bildunterschrift: "Jesus" hieß früher Charlie.

Doch es kam auch zur sprichwörtlichen Vertreibung aus dem Paradies: "Jesus" bekam Parkverbot. Was war passiert? Er hatte eines Tages ein Auto. Und mit dem fuhr er in den Park und zum Monopteros hinauf. Türen auf, Musik laut an und Party machen - das war angesagt. Die Parkverwalter waren entsetzt. "Sie haben das zum Anlass genommen, mich des Gartens zu verweisen", sagt "Jesus". Seitdem war er verschollen. Doch das laVita-Team ließ nicht locker, den Guru, um den sich so viele Geschichten ranken, aufzuspüren - und fand ihn schließlich im Allgäu. Mit Tobias Ranzinger war er das erste Mal seit über zehn Jahren wieder am Monopteros im Englischen Garten.


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