BR Fernsehen - EUROBLICK


12

Türkei Nachbarn im Häuserkampf

Die Stadt Diyarbakir im Südosten der Türkei: Militärfahrzeuge patrouillieren auf den Straßen, die Altstadt ist komplett abgeriegelt. Alle paar Minuten sind Explosionen und Schusswechsel zu hören.

Von: Gülseren Ölcüm und Katharina Willinger

Stand: 13.03.2016 | Archiv

Menschen flüchten vor einem Polizeieinsatz | Bild: BR

Für die Bewohner gehört das mittlerweile fast zum Alltag: Denn die Stadt Diyarbakir befindet sich seit drei Monaten offiziell im Ausnahmezustand. Der Grund: Seit Monaten liefert sich die türkische Regierung in einigen Teilen des Stadtviertels Sur, mitten in der Altstadt, immer wieder heftige Gefechte mit Kämpfern der verbotenen Arbeiterpartei PKK.

Polizeiabsperrungen

Über 20.000 Anwohner haben bereits die Flucht aus Sur ergriffen. Die Lage im Viertel ist denkbar angespannt: Menschenrechtsorganisationen vermuten noch rund 150 bis 200 Zivilisten eingeschlossen im umkämpften Gebiet, darunter einige Kinder. Zugang hat außer dem Militär niemand - seit rund 100 Tagen steht das Gebiet unter Ausgangssperre.

"Mein Leben ist furchtbar. Ich bin depressiv, gehe jeden Tag ins Krankenhaus. Jedes Mal wenn ich die Bomben höre, packe ich meine Sachen und will fliehen. Möge Gott uns helfen und dass dieser Krieg endet. Möge der Frieden kommen. Es reicht."

Eine Anwohnerin

Ein Militärfahrzeug auf der Straße

Zeugen berichten von Leichen auf den Straßen, die nicht geborgen werden können. Laut der türkischen Menschenrechtsorganisation TIHV sind bei den Gefechten in Sur mindestens 20 Zivilisten getötet worden. Genaue Angaben gibt es keine.

Muhammed Akar, AKP-Vorsitzender Diyarbakir

Seit dem 9. März 2016 hat das türkische Militär den militärischen Einsatz für einstweilen beendet erklärt, die Ausgangssperre für die Zivilbevölkerung besteht jedoch weiterhin. Ob das Militär erneut eingreift, ist derzeit unklar. In Nachbargemeinden von Diyarbakir gehen die Kämpfe hingegen weiter. Misstrauen und Argwohn haben die Menschen in der Region fest im Griff. Wer ist Freund, wer Feind in diesem Kampf?

"Wir wollten, dass die PKK die Waffen fallen lässt, und eine demokratische Lösung finden. Aber leider hat die neue geopolitische Lage in Syrien diesen Umstand beendet. Und die PKK und andere Organisationen haben der Türkei den Krieg erklärt. Und damit hat eine aktive Bekämpfung angefangen. Das verläuft natürlich nicht unblutig."

Muhammed Akar, AKP-Vorsitzender Diyarbakir

Tausende Menschen gehen immer wieder auf die Straße, demonstrieren gegen das Vorgehen der Regierung und fordern ein Ende des bewaffneten Konflikts. Die Antwort der Polizei: Einsatz von Gewalt und Verhaftungen.

Eine verlassene Straße in Diyarbakir

Die BR-Reporterinnen Gülseren Ölcüm und Katharina Willinger sind für eine Woche nach Diyarbakir gereist, um sich selbst ein Bild von der andauernden Ausnahmesituation zu machen. Ist eine Lösung in dieser verfahrenen Situation überhaupt noch möglich?

Beitragstext zum Download Format: PDF Größe: 20,17 KB


12