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Syrien "Embedded" in der russischen Armee

Russische Helikopter und Kampfjets im syrischen Latakia: Sie suchen nach Extremisten mit Boden-Luft-Raketen. Rückendeckung für Kampfjets des russischen Luftwaffenstützpunktes.

Von: Christoph Wanner

Stand: 10.01.2016 | Archiv

Soldaten arbeiten an der Bewaffnung eines Kampfflugzeugs | Bild: BR

Sie stärken den syrischen Diktator, helfen Assad den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Ein Mann, der gegen das eigene Volk Krieg führt. Die Kämpfe treiben täglich Tausende Flüchtlinge nach Europa.

General Igor Konoschenkow

Die russische Armee will, dass solche Bilder im Westen laufen. Deswegen hat sie uns und rund 20 weitere ausländische Journalisten auf ihren syrischen Luftwaffenstützpunkt eingeladen. Wir sind "embedded": Wir sollen sehen und darüber berichten, wie Russland als Weltmacht agiert. Um uns kümmert sich ein wortgewandter General: Igor Konoschenkow, 50 Jahre, Chef des Informationszentrums der russischen Streitkräfte:

"Wir haben es schon oft gesagt: Wir kämpfen hier gegen internationale Terroristen. Dazu gehören der IS, die Al-Nusra-Front und andere."

Igor Konoschenkow, russisches Verteidigungsministerium

Ein russischer Jagdbomber

General Konoschenkow betont, dass die Armee gegen den internationalen Terrorismus kämpft, nicht mit Bodentruppen sondern mit lenkbaren Luft-Boden-Raketen. Nach offizieller Lesart soll mit dem Syrien-Einsatz auch verhindert werden, dass radikale Islamisten Russland heimsuchen. Die USA werfen Russland vor, seine Luftwaffe zu selten gegen den IS einzusetzen, vorwiegend andere Assad-Gegner zu attackieren: die Freie Syrische Armee, Kurden und Turkstämme. Moskau dementiert.

Wir gewinnen den Eindruck, dass der Kreml mit Hilfe dieser Elitesoldaten vor allem die internationale Isolation durchbrechen will, in die sich Putin durch die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim hineinmanövriert hat. Außerdem verfolgen die Militärs in Syrien wohl auch ein starkes geopolitisches Interesse: mehr Einfluss im strategisch wichtigen, rohstoffreichen Nahen und Mittleren Osten.

Abschussbehälter der S-400

General Konoschenkow protzt mit der Superwaffe S-400. Demonstrativ untermauert der Kreml seinen Machtanspruch mit dem Flugabwehrsystem. Die S-400 hat Putin sofort nach dem Abschuss eines russischen Frontbombers durch einen türkischen Kampfjet aufstellen lassen. Einer der beiden Piloten stirbt. Die russischen SU-24 soll türkischen Luftraum verletzt haben. Das Flugabwehrsystem ist eine Warnung an den neuen Erzfeind Türkei und seine Nato-Verbündeten.

"Dieses System verfügt über kolossale Möglichkeiten. Sein Radar kann bis zu 300 Objekte gleichzeitig verfolgen. Und die S-400 kann ebenfalls gleichzeitig bis zu 36 Ziele bekämpfen."

Igor Konoschenkow, russisches Verteidigungsministerium

Die Militärintervention des Kremls in Syrien ist eine Langzeitoperation, flankiert von einer massiven Propagandaoffensive. Die Welt soll verstehen, dass im Nahen und Mittleren Osten ohne Russland nichts mehr geht. Vorwürfe der verhassten USA, dass solche Angriffe Großteils Zivilisten töten, dementieren die Militärs. Stolz demonstrieren sie uns ihre Luftüberlegenheit: Zielgenau und gegen die Finanzquellen des Islamischen Staates gerichtet. Bei diesem Angriff soll es sich um eine Attacke gegen einen Öllaster-Konvoi des IS handeln, angeblich auf dem Weg in die Türkei. Präsident Erdogans Familie treibe mit IS-Öl Handel, so der Vorwurf der Russen:

"Die Öleinnahmen, übrigens alles gestohlenes Öl, erlauben es den Terroristen Waffen und Sprengstoff zu kaufen. Diese Dinge werden dann unter anderem dazu benutzt, um Terroranschläge durchzuführen."

Igor Konoschenkow, russisches Verteidigungsministerium

Der russische Kreuzer "Moskwa"

Kein Wort darüber, dass offenbar auch Russlands Verbündeter Assad vom IS massenhaft Öl kauft. Das Säbelrasseln geht weiter. General Konoschenkow zeigt uns den zweiten russischen Stützpunkt in Syrien, Tartus. Draußen vor dem Mittelmeerhafen liegt die Moskwa: Torpedos, Raketen, mit Atomsprengköpfen bestückbare Marschflugkörper – russische Soldaten bezeichnen den Kreuzer als schwimmende Festung. Und wieder eine medienwirksame Warnung an die Türkei und den Westen, diesmal vom Kapitän der Moskwa:

"Die Waffensysteme des Kreuzers sind die Rückendeckung für unseren Luftwaffenstützpunkt in der Arabischen Republik Syrien. Von dort aus führen die russischen Kampfflugzeuge ihre Angriffe gegen den Internationalen Terrorismus."

Alexander Schwarz, Kapitän Kreuzer Moskwa

General Konoschenkow wirkt zufrieden: Briten, Amerikaner, Deutsche und Chinesen stehen Schlange für ein Interview. Der General betont die Bedeutung der Informationsfront:

"Wenn das Interesse der Medien groß ist, muss es nur professionell bedient werden. Und man erntet den Erfolg. So einfach ist das."

Igor Konoschenkow, russische Streitkräfte

Unser Interesse ist trotz der bisweilen ermüdenden Muskelspiele weiterhin groß, denn nur mit der russischen Armee können wir uns in dem Bürgerkriegsland wenigstens halbwegs sicher bewegen.

Zurück in Latakia: die Militärs zeigen uns ein Flüchtlingslager. Das von den Russen und Assad kontrollierte Gebiet ist bei vielen mittellosen Binnenflüchtlingen als Zufluchtsort beliebt. Wer es in so ein Lager geschafft hat, demonstriert vor westlichen Kameras überschwänglich seine Dankbarkeit. Viele Menschen preisen die Hisbollah, das Assad-Regime und Russland. Oft wirkt ihre Euphorie gespielt:

"Ich liebe Präsident Assad, ich liebe Russland. I love you Putin, I love you Bassar Assad."

Ein Flüchtling

"Ich will nicht weg aus Syrien. Meine Heimat braucht mich."

Eine Frau

Kein Wort der Kritik an Präsident Assad, obwohl seine Truppen verantwortlich dafür sind, dass viele dieser Menschen kein Zuhause mehr haben. Auch kein Wort über mögliche Pläne, bei passender Gelegenheit nach Europa zu fliehen, denn solche Gedanken gelten hier als unpatriotisch. Die Zurückhaltung der Binnenflüchtlinge in Latakia ist für uns mehr als nachvollziehbar, denn diese Soldaten des Assad-Regimes sind nicht nur Schutz sondern auch Aufpasser. Wenn sie die Flüchtlinge wegen regierungskritischer oder antirussischer Äußerungen aus diesem Lager vertreiben, wird es schwierig, woanders in Syrien Zuflucht zu finden.

Diese Pressereise zeigt, dass Russland das Assad-Regime wohl nicht so schnell fallen lassen wird, denn der Kreml braucht den schwachen, deswegen berechenbaren Machthaber Assad, um im Nahen und Mittlere Osten wieder langfristig Fuß zu fassen.


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