BR Fernsehen - EUROBLICK


5

Spanien Katalonien droht mit Abspaltung

Als Xavier Fonollosa, Bürgermeister von Martorell, gleich zweimal amtliche Post bekommt, macht er sich auf alles gefasst. Und tatsächlich, auch nach eingehender Lektüre wird die Lage nicht besser: hier liegt juristischer Sprengstoff.

Von: Natalia Bachmayer

Stand: 17.09.2017 | Archiv

Ein T-Shirt mit der Aufschrift "Ja, ich will" | Bild: BR

Xavier Fonollosa

Aus Barcelona die Order der Regionalregierung: Wahllokale vorbereiten – fürs Referendum! Und aus Madrid, nur ein paar Stunden später, die Replik: genau das sei zu unterlassen, weil illegal. Bürgermeister Xavier Fonollosa, Martorell: "Das war absehbar – wie zwei Züge, die aufeinander zurasen. Und der Aufprall kam jetzt, als in Barcelona das Gesetz zum Referendum verabschiedet wurde und das Verfassungsgericht in Madrid dieses Gesetz sofort wieder einkassiert hat."

In Barcelona brummt der Fanshop der Unabhängigkeitsaktivisten. Die Kunden decken sich ein: "Ja, ich will" auf T-Shirts, Ansteckern, Aufklebern. Da muss man schließlich Flagge zeigen. Wann, wenn nicht jetzt, wie hier einige meinen: "Jetzt ist die Unabhängigkeit zum Greifen nah, alles ist möglich." "Motiviert sind wir schon seit Jahren. Und nun passiert endlich was!" "Ich bin sicher: wir schaffen das!"

So einfach ist die Sache allerdings nicht. Nicht nur in Madrid, sondern auch in Katalonien selbst gibt es viele, die ein Referendum für Irrsinn halten. Josep Bou zum Beispiel, Inhaber einer Bäckereikette: "Wenn wir nicht mehr Teil von Spanien sind", sagt er, "sind wir womöglich auch nicht mehr Teil von Europa, und dann käme der wirtschaftliche Absturz. Wer würde hier noch investieren? Jetzt hängt alles von der Regierung in Madrid ab, sie muss handeln, natürlich mit Augenmaß. Aber wir reden hier von kriminellen Handlungen, die unbedingt verhindert werden müssen."

Von "kriminellen Handlungen" ist auch in der spanischen Presse die Rede. "Staatsstreich im katalanischen Parlament.", steht da. Und: "Die Demokratie als Geisel" Kommentare zum Vorabend: da hat die Opposition chancenlos und unter Protest das Plenum verlassen, und nur Minuten später winkt die Mehrheit der Abgeordneten das Referendumsgesetz durch. Triumph der Separatisten.

Auf der Besuchertribüne singt auch Artur Mas mit. Sechs Jahre lang war er katalanischer Ministerpräsident – heute darf er nur Zaungast sein. Er ist nämlich für zwei Jahre von allen politischen Ämtern ausgeschlossen, weil er selbst mal eine Art Mini-Referendum organisiert hatte, eine sogenannte "Volksbefragung". Als Mas deswegen vor anderthalb Jahren vor Gericht antreten musste, tat er das mit großem Gefolge – 40.000 Demonstranten. Katalanische Politiker setzen ihren Clinch mit dem spanischen Staat gerne auch mal groß in Szene. Soll ruhig jeder sehen, was passiert, wenn man sich mit der Regierung in Madrid anlegt.

Artur Mas

Artur Mas, ehemaliger Ministerpräsident von Katalonien: "Ich weiß, wie sie reagieren und wozu sie imstande sind. Sie drohen nicht nur, sie organisieren regelrechte Kampagnen. Das ist ein schmutziger Krieg, mit dem sie versuchen, alle zu diskreditieren und finanziell zu ruinieren, die anders denken."

Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass Mas und weiteren Referendumsbefürwortern jetzt auch noch insgesamt fünf Millionen Euro Strafe drohen. Sie sollen für ihre politischen Aktivitäten Steuergelder veruntreut haben. Und gegen Carme Forcadell, die katalanische Parlamentspräsidentin, läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Ungehorsams und wegen Amtsmissbrauchs. Mit Dutzenden von Politikern, Aktivisten und Unternehmern sind die spanischen Behörden schon so verfahren. Gerade erst wurde eine Firma durchsucht, in der Stimmzettel fürs Referendum gedruckt worden sein sollen. Es sind solche Bilder, die den Unabhängigkeitsaktivisten immer wieder Auftrieb geben. Die Frage, ob ihre Sache gerecht ist, gerät darüber fast in Vergessenheit.

Die Nervosität steigt. Gut möglich, dass die Regierung in Madrid jetzt noch härtere Bandagen anlegt, dass sie anfängt, Druck auf alle Lokalpolitiker auszuüben, die helfen, die Abstimmung zu organisieren. Xavier Fonollosa, der Bürgermeister von Martorell, hat sich schon entschieden. Er wird mitmachen, die Drohkulisse schreckt ihn nicht ab: "Das ist doch ihre Strategie: Angst verbreiten. Aber ich sehe das so: wir leben in einer Demokratie: da können wir nicht einfach ins Gefängnis wandern, nur weil wir ein paar Urnen aufstellen."

Andere Bürgermeister dagegen zucken schon zurück, denn das spanische Verfassungsgericht hat keinen Zweifel gelassen: das Referendum ist illegal. Wer jetzt noch weitermacht, bewegt sich außerhalb des Gesetzes.


5