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Rumänien Geflüchtet über das Schwarze Meer

Aktuell leben mehr als zwei Millionen Flüchtlinge in der Türkei. Immer mehr wollen dort weg und fliehen illegal über das Schwarze Meer nach Rumänien. Sie riskieren dabei ihr Leben: Mehrfach musste die Küstenwache bereits auslaufen und Menschen aus Seenot retten.

Von: Paul Tutsek

Stand: 29.10.2017 | Archiv

Schiff mit Flüchtlingen (Quelle: Rumänische Grenzpolizei) | Bild: BR

Jwan und Rekaw Bayzani

Ausgeliefert dem Schwarzen Meer, eingepfercht auf einem viel zu kleinen Boot in Richtung Rumänien. So sind auch Jwan und Rekaw Bayzani mit ihren Kindern vor zwei Wochen hierher geflüchtet. Die gefährliche Überfahrt von Istanbul steckt den beiden Irakern noch in den Knochen.

"Wir hatten Angst loszufahren, als wir sahen, in welchem Zustand das Boot war. Ich habe meinem Mann Vorwürfe gemacht. Wir sahen, dass sich Teile vom Boot lösten, aber da war es schon zu spät. Die Wellen waren sehr hoch und Wasser kam ins Boot. Wir hatten fürchterliche Angst."

Rekaw Bayzani

Auf überfüllte Schlepperboote trifft die rumänische Küstenwache seit einigen Wochen bei Tag und bei Nacht. Innerhalb eines Monats sind fast 500 Iraker, Iraner und Syrer über das Schwarze Meer nach Rumänien geflüchtet.

Catalin Paraschiv

Die Küstenwache geht davon aus, dass sich von der Türkei nach Rumänien eine neue, so genannte Schwarzmeerroute etablieren könnte. Das bestätigt Kapitän Catalin Paraschiv. Er war bereits bei mehreren Rettungseinsätzen von Flüchtlingsbooten dabei:

"Die Türkei hat eine sehr lange Küstenlinie, viel länger als unsere. Es ist sehr schwer, diese lange Küste ununterbrochen zu überwachen. Die Menschenschmuggler profitieren davon, und es gelingt ihnen Schiffe zu uns zu schicken."

Catalin Paraschiv, Grenzpolizei Rumänien

Die Bayzanis sind froh, dass sie die Überfahrt überlebt haben. Sie waren sich der Gefahr nicht bewusst. Für sie zählte nur, aus der Türkei weg zu kommen, in Richtung Europa, erzählen sie uns. Die Route über das Schwarze Meer sei ein Geheimtipp:

"Wir sind aus der Türkei gekommen, weil es leicht ist, von dort zu starten, und weil es viele Menschenschmuggler gibt. Die türkische Polizei tut nichts dagegen, sie wird von den Schmugglern geschmiert."

Jwan Bayzani

In Rumänien angekommen, werden die Menschenhändler verhaftet, die Schleuserboote von der rumänischen Küstenwache beschlagnahmt. Es werden immer mehr ausgemusterte türkische Fischer- oder Touristenboote, die nur noch der Rost zusammenhält.

Adrian Herta

Dass die jetzt in der Hafenstadt Constanta landen, sei eine Folge der EU-Flüchtlingspolitik, erklärt uns der Flüchtlingsexperte Adrian Herta. Verzweifelte Menschen fänden immer einen Weg:

"Die Tatsache, dass wir diese Schiffe im Schwarzen Meer haben, zeigt uns doch, dass die klassischen Routen dicht sind, und keine Option mehr darstellen."

Adrian Herta, Historiker Universität Constanta

Deshalb landen jetzt immer mehr Flüchtlinge hier in Constanta. Viele Rumänen sehen das mit Skepsis wie dieser junge Mann meint: "Der Staat sollte diese Menschen von uns fern halten. Sie sollten nicht zu uns kommen wie zum Beispiel nach Deutschland." Eine Frau zeigt sich hilfsbereiter: "Ich persönlich glaube, wir müssen uns gegenseitig helfen. Ich möchte nicht in so einem Land wie ihrem leben, wo so viel Krieg herrscht und niemand da ist, um zu helfen."

Jwan Bayzani und seine Familie wurden in einem Feriendorf im rumänischen Mamaia untergebracht mit 40 anderen Geflüchteten. In den Irak könnten sie nicht mehr zurück, erzählen sie uns:

"Ich habe in einem Gerichtshof gearbeitet, bei dem mein Bruder Richter war. Ich hatte Zugang zu vielen geheimen Dokumenten. Diese Akten beinhalteten Beweise gegen einflussreiche, korrupte Personen. Von mir haben sie verlangt, diese Akten rauszuschmuggeln. Mir wurde mit dem Tod gedroht, falls ich das nicht tue."

Jwan Bayzani

Die Bayzanis sind froh, hier gelandet zu sein. Rumänien soll aber nur eine Station sein, auf ihrer Reise nach Europa. Sie wollen so schnell wie möglich weiter, nach Schweden oder Deutschland.


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