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Portugal Ein kleines Wirtschaftswunder

Stellt man sich Portugal als Sandburg am Strand vor – die Finanzkrise hätte sie in den vergangenen Jahren schwer mitgenommen.

Von: Sebastian Kisters

Stand: 11.06.2017 | Archiv

Eine Sandburg mit der portugiesischen Flagge | Bild: BR

2011: Ein Land am Abgrund. Der IWF, die EZB und die EU-Kommission müssen Portugal mit einem 78-Milliarden-Euro-Kredit stützen.
Tristesse am Atlantik: 16 Prozent der Bevölkerung 2013 arbeitslos. Eine Verdoppelung in nur fünf Jahren.

Vergangenheit! Denkt, wer in diesen Tagen junge Menschen in Porto trifft, wie Tiago Martins. Der Softwareentwickler arbeitet für ein Unternehmen, das 300 junge Menschen beschäftigt. Weitere werden gesucht. Sie basteln an Programmen für Wettanbieter im Internet. Rund 1500 Euro verdienen Berufseinsteiger – doppelt so viel wie portugiesische Durchschnittsverdiener. Hier hat der Aufschwung ein Zuhause.

"Man sieht immer mehr Firmen, die in Porto investieren. Leute interessieren sich immer mehr für die Stadt. Auch immer mehr Fluggesellschaften kommen hierher. Es gibt immer mehr Verbindungen in andere Städte. Das bringt auch neue Leute hierher. Oder: Porto bekommt gerade eine neue U-Bahn. Es bewegt sich etwas."

Tiago Martins, Softwareentwickler

Studenten in Porto feiern gerade ihre Abschlüsse – und wohl auch die Zukunftsaussichten.

Wer Portugal in diesen Tagen besucht, erlebt vielerorts ein optimistisches Land. So viele Touristen wie nie zuvor werden erwartet. Die Arbeitslosigkeit ist auf zehn Prozent gesunken! An vielen Stellen entstehen neue Häuser und Straßen. Der Mindestlohn vieler Menschen, die hier arbeiten, ist zuletzt gestiegen und in der Krise gestrichene Feiertage wurden wieder eingeführt: Entscheidungen einer sozialistischen Minderheitsregierung, die seit 2015 regiert, und nun für sich reklamiert, Portugal nach der Krise wieder aufgebaut zu haben.

Joao Galamba

Der Sprecher der regierenden Sozialisten kommt zum Interview lässig mit dem Motorrad und sagt: "Seht ihr, es geht auch anders, als Herr Schäuble es gerne hätte!"

"Wir haben es anders gemacht. Diese Regierung hat die Wirtschaftspolitik und die Einkommenspolitik der vorherigen Regierung verändert. Das hat zu großem Misstrauen in Europa geführt, sogar zu Feindschaft, sowohl, was die Wiederherstellung der Gehälter betraf als auch die Steuersenkungen. Auch bei der Erhöhung des Mindestlohns gab es großes Misstrauen. Doch die portugiesische Regierung hat daran geglaubt, dass das möglich ist, und hat jetzt Recht behalten. Wir haben positive Ergebnisse in allen Bereichen."

Joao Galamba, Sprecher PS

Alles gut also in Portugal? Lebensqualität am Strand. Friede, Freude, Wohlstand? In einem Park von Porto kommen Zweifel auf. Zwar sind die Renten leicht erhöht worden und auch der Mindestlohn, aber die Regierung hat noch mehr erhöht: Steuern auf Kraftstoff, Alkohol, Tabak und Immobilien…

"Mit der einen Hand geben sie, und dann nehmen sie mit zwei Händen wieder weg."

Jose Amado

"Die Austerität vorbei? Ne, bei mir nicht. 50 Jahre habe ich Beiträge gezahlt. Jetzt bekomme ich 500 Euro Rente. Das ist schon wenig für 50 Jahre. Was mache ich damit. Nichts!"

Alfredo Silva

Aurora Teixeira

Portugal ein Aufschwungswunderland? Eine Wirtschaftswissenschaftlerin mahnt zur Vorsicht.

"Erst 2020, frühestens 2019 werden wir wieder das Leistungsniveau von 2001 erreichen. Der Aufschwung ist noch nicht stark genug und nicht stabil genug. Wir sind nicht sicher vor neuen Krisen, die auf uns zukommen könnten."

Aurora Teixeira, Ökonomin Universität Porto

Nicht sicher, weil Portugal extrem verschuldet ist. Schon ein Ende der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank könne Portugal wieder in Schwierigkeiten bringen. Geld könnte fehlen, um weiter zu investieren. Also: Wahnsinn oder Wunder. Was passiert da gerade in Portugal?

Die linke Regierung hat es geschafft, vielerorts Optimismus zu entfachen. Eine junge Generation erlebt einen Aufschwung. Auch Dank des Brexits entdecken Technologiefirmen Portugal. Das Land konkurriert mit Osteuropa um Investoren und: Portugal punktet, weil das Land als stabil gilt und die Sonne öfter scheint.

Die Frage ist nun: Was wird aus den enormen Schulden, die auf Portugal lasten. Im Moment sieht vieles gut aus. Aber noch ist die Burg auf Sand gebaut.


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