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Polen Ein ungewöhnliches Kinderheim

Diese Babys haben alle einen schweren Start ins Leben und erleben trotzdem Geborgenheit. Sie sind bei der Stiftung Tuli Luli in Lodsch. Tuli Luli heißt: Schmuse-Wiege.

Von: Griet von Petersdorff

Stand: 28.05.2017 | Archiv

Katarzyna Koprycka mit Baby | Bild: BR

Kaum irgendwo wird so viel gekuschelt, geknuddelt, gespielt, gelächelt, in Babysprache gesprochen wie hier.
Katarzyna Koprycka freut sich schon auf die Streicheleinheiten. Sie ist eine der Freiwilligen. Sie geht nicht ins Fitnessstudio, nicht ins Kino, sie geht zu Tuli Luli zum Kinderkuscheln, einmal die Woche. Ihre beiden Töchter, 13 und 17, sind schon recht groß, da fehlt ihr was Kleines.

"Ich bin eigentlich Kosmetikerin und habe einen Schönheitssalon. Und ich unterrichte auch."

Katarzyna Koprycka, Freiwillige

Katarzyna Koprycka

Und die freiwillige Arbeit hier?

"Ich weiß nicht, ob man das Leidenschaft nennen kann. Es ist einfach eine große Liebe zu den Kindern. Ich finde, wir haben so viel Zeit zu verschenken, und ein paar Stunden in der Woche für die Betreuung der Kinder – das geht immer."

Katarzyna Koprycka

Monika Nowak kommt einmal die Woche. Eigentlich verkauft sie Telefone; fürs Geldverdienen ist es gut, fürs Herz ist es zu wenig.

"Ich habe es einfach aus Facebook erfahren, da habe ich von der Initiative gelesen. Und dann klickte ich erst mal ‚Gefällt mir‘. Dann dachte ich, dass ich das auch gern selbst machen würde. Ich hatte ja schon mal über eine Mitarbeit in einem Hospiz nachgedacht. Aber dann hat ja Tuli Luli aufgemacht."

Monika Nowak, Freiwillige

Jolanta Kałużna

Die Idee zu Tuli Luli hatte Jolanta Kałużna. Sie ist auch die Chefin hier. Zu Tuli Luli kommen Babys schon kurz nach der Geburt; deren Eltern konnten oder wollten sie nicht behalten. Normalerweise kämen sie in ein Kinderheim. Aber Jolanta Kałużna findet, es gibt da einfach zu wenig Zuwendung und das in dem so wichtigen ersten Lebensjahr.

"Als junge Psychologin arbeitete ich in einem Heim für Drogenabhängige mit Minderjährigen. Es stellte sich heraus, dass es eigentlich schon zu spät war. Viele dieser Kinder waren Adoptivkinder und wurden rauschgiftsüchtig. Es war unheimlich schwer denen zu helfen. Deshalb dachte ich, dass es viel einfacher wäre schon bei den kleinen Kindern, bei den Babys noch, anzufangen."

Jolanta Kałużna, Gründerin Tuli Luli

Der Betreuungsschlüssel fast eins zu eins: eine Betreuerin, ein Kind. In einem normalen Kinderheim ginge das nicht und hier geht es auch nur dank der Freiwilligen, die sich zahlreich melden. Lange nicht jeder wird genommen: Psychologische Tests müssen sie bestehen, Schulungen machen, gesundheitlich stabil sein. Und es muss allen klar sein: Zärtlichkeit und Zuwendung, das ist das Wichtigste.

"Es ist ein Glück, wenn die Kinder hier weinen und dass es nicht so ist, wie ich es aus Kinderheimen kenne. Da werden die Kinder immer leiser, weil sie einmal, zwei Mal geweint haben, aber es gab keine Reaktion. Dann ziehen sie sich zurück. In Tuli Luli hört man immer etwas: die Kinder weinen, sie melden sich zu Wort, dann lächeln sie, sobald sie auf dem Arm sind."

Jolanta Kałużna, Gründerin Tuli Luli

Es fehlt offenbar an nichts. Ein Jahr bleiben die Kleinen maximal, bis Adoptiveltern gefunden wurden oder es sich die leiblichen Eltern noch einmal anders überlegen. Der Abschied fällt immer schwer. Bei Katarzyna Koprycka fließen die Tränen. Sie ist glücklich und traurig zugleich.

"Sie geht zu einer neuen Familie. Sie kriegt neue Eltern. Ich komme ja nur einmal die Woche. Also das nächste Mal werde ich sie nicht mehr sehen."

Katarzyna Koprycka, Freiwillige

Tuli Luli überzeugt. Der Bezirk beteiligt sich an den Kosten, die Spenden fließen. 25 Festangestellte gibt es mittlerweile. Auf der Website wird alles offen gelegt: das ist Transparenz. Im Monat beträgt der Pampers-Verbrauch 215 Kilogramm, Milchflaschen werden 3228 mal gegeben, Küsse und Streicheln gibt es Millionen mal.


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