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Litauen Grenzschutz im Baltikum

Unsere Reise beginnt, wo die Welt zu Ende ist: bei Mariojona Zukauskiene im Grenzort Vystitis. Die Litauerin hat hier ihr ganzes Leben verbracht. Seit 82 Jahre wohnt sie am Vystiter See.

Von: Tilmann Bünz

Stand: 09.07.2017 | Archiv

Grenzort Vystitis | Bild: BR

Nur die Grenzpfähle wechselten: früher Ostpreußen dann Sowjetunion. Da war sie öfter mal drüben. Heute geht das nicht mehr.

"Nein, heute, selbst wenn wir wollten, könnten wir nicht rüber. Ach, damals gab es dort so viele Pilze. Wir haben sie haufenweise mit nach Hause genommen."

Marijona Zukauskiene

Marijona Zukauskiene

Wann wurde der Übergang gesperrt?

"Sie haben die Grenze geschlossen, als Litauen ein eigener Staat wurde. Das ist nun schon über 20 Jahre her."

Marijona Zukauskiene

Wenn man so dicht an der Grenze wohnt, hat man entweder viel Angst oder gar keine mehr: Russland plant große Manöver im Herbst.

"Wir haben uns an die Reden über die Gefahr aus Russland gewöhnt. Lass sie ruhig ihre Manöver machen. Uns geht es wenig an. Mal üben die einen, mal die anderen Soldaten – das ist deren Job."

Marijona Zukauskiene

Bei Marijona ist der Weg zu den Russen mit Brettern versperrt Aber es gibt mehre Übergänge zwischen den Nachbarn. Und auch Schlupflöcher.

Laurianas Kasciunas

Wenn man Laurianas Kasciunas glaubt, dann braucht Litauen dringend einen durchgehenden Zaun, damit der große Nachbar gezeigt bekommt, wo Litauen beginnt. Als wir den konservativen Abgeordneten treffen, ruhen gerade die Bauarbeiten; der Signaldraht ist noch nicht geliefert. 12.000 Pfähle – Kosten knapp anderthalb Millionen Euro.

"Was sagen sie selbst zu den Pfählen? Sind Sie beeindruckt?"

Reporterfrage

"Sie könnten noch höher sein. Ich habe sie schon höher gesehen, viel höher, wie in Ungarn, drei bis vier Meter wären besser."

Laurianas Kasciunas, Abgeordneter Vaterlandsbund, Litauen

Seine größte Angst, so sagt er, ist, dass Russland getarnte Soldaten über die Grenze schickt, wie in der Ukraine, sogenannte grüne Männlein, die man nicht gleich erkennt.

"Was hat es mit den Grünen Männern auf sich?"

Reporterfrage

"Das wäre eine neue Bedrohung: Russland könnte unser Land wieder unter seine Kontrolle bringen. Russlands Herrscher wissen nicht, wo die Grenzen liegen. Das ist Russlands historisches Dilemma."

Laurianas Kasciunas, Abgeordneter Vaterlandsbund, Litauen

Die Grenzregion um den Fluss Sesupe macht auf den ersten Blick nicht den Eindruck, als ob hier bald Armeen – ob kleine oder große – durchmarschieren würden. Hier leben Familien seit Generationen in den Flussauen. Sie haben reichlich Fisch und halten ein paar Kühe – eine Idylle. Nur mit der Einsamkeit ist es im Weiler Svaiginiai vorbei. Seit einiger Zeit bekommt Emas Familie ständig Besuch vom Grenzschutz. etwa dreimal am Tag.

"Wir werden ständig überwacht. Hier wird eine Kamera der Grenzpolizisten installiert. Man will sie möglichst schnell bauen. Danach werden wir noch sicherer sein." sagt sie, und es klingt ironisch.

Grenzbewohner haben ihren eigenen Humor. Sonst könnten sie da wohl nicht wohnen.

Am Schluss unserer Grenzreise von 88 Kilometern am Fluss und über Land treffen wir dann doch auf einen Mann, der nachdenklich geworden ist. Bauer Laimonas Tautkevicius hat gerade seinen langen Arbeitstag mit den 70 Milchkühen beendet und ist auf dem Weg an seine Lieblingsstelle am Grenzfluss mit freiem Blick auf die russische Seite. Nein, Druck spürt er nicht, aber ein gewisses Unbehagen. Er weiß wie sich ein Manöver anhört:

"Manchmal üben die Russen da drüben, sprengen was oder zünden Bomben. Es gab mal einen Knall vor zwei Jahren, dass unsere Fenster gewackelt haben."

Laimonas Tautkevicius, Landwirt

Laimonas Tautkevicius

Wer weiß, was da passieren kann, mit und ohne Zaun.

"Ich denke nicht, dass der Zaun irgendwas hilft. Wenn sie es wollen, werden sie auch durch diesen Zaun fahren."

Laimonas Tautkevicius, Landwirt

Laimonas bleibt auf der Hut: Wenn es hier ernst wird, sind sie die ersten, die es trifft, sagt sein Vater immer. Und Laimonas schwimmt lieber nur bis zur Mitte des Flusses. Danach beginnt Russland.


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