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Deutschland und Polen Emotionen für Europa

Unter dem Namen "Pulse of Europe" gehen engagierte Menschen in ganz Europa auf die Straße, um für Europa zu demonstrieren, so auch in München und in Warschau.

Von: Manuela Roppert und Nils Kopp

Stand: 11.06.2017 | Archiv

Europaartikel | Bild: BR

Ihnen hier bedeutet Europa etwas:

"Ich bin beglückt, dass es eine Möglichkeit gibt, wo wir uns zeigen können, wo wir Farbe bekennen."

Eine Teilnehmerin

John Friedmann

Am letzten Sonntag in München und in insgesamt 126 Städten in ganz Europa:

"Wir spüren auf dem Platz, dass wir wirklich den Puls der Zeit treffen, dass viele Menschen auch einen ganz emotionalen und persönlichen Zugang zu Europa haben."

Peter Willisch, Mitorganisator

"Und das ist auch unsere Aufgabe, Europa fühlbar und sichtbar zu machen, ja?"

John Friedmann, Mitorganisator

An einem Sonntag im November letzten Jahres gab es die erste Veranstaltung vom "Pulse of Europe", zunächst nur in Frankfurt am Main, bald auch in München. Die Bewegung hat sich inzwischen ausgebreitet, vor allem in Westeuropa. Sie finanziert sich ausschließlich durch Spenden – ein Angebot der EU-Kommission zur finanziellen Unterstützung lehnten sie ab:

"Das ist einfach ein Grundsatzentschluss. Wir haben gesagt, wir wollen das einfach über Spenden finanzieren und uns von niemandem abhängig machen. Wir wollen teilweise auch kritisch bleiben können gegenüber europäischen Institutionen und das verträgt sich aus unserer Sicht nicht so gut damit, wenn wir dort Gelder annehmen würden."

Peter Willisch, Mitorganisator

An jedem ersten Sonntag im Monat haben hier ganz normale Bürger die Chance zu reden, maximal drei Minuten lang, ohne Zensur, zum Thema Europa. Und:

"Auf der Bühne darf jeder reden, nur nicht Politiker. Wenn er ein Politiker ist darf nur ein Politiker pro Veranstaltung reden und das auch nur als Privatperson, damit die Bühne den Bürgern gehört, damit die Bürger über Europa reden. Das ist uns ganz wichtig."

John Friedmann, Schauspieler

Die Werte Europas in Worten von Bürgern:

"Und zwar war ich schon häufiger hier, so zwei Mal, und zwar mit meinem Mann und mit mir. Und diesmal ist er nicht mitgekommen, er sagt: 'Ui, es regnet und so.' Und wir haben grad drei Enkelkinder zu Hause zu betreuen und ich hab gesagt: ‚Ich gehe hierher!‘"

Ausschnitt der Rede einer älteren Frau

Ein Europa der Emotionen – auch in den östlichen EU-Ländern?

Warschau zur selben Zeit: In Polens Hauptstadt könnten die Europafreunde dringend Unterstützung gebrauchen. Die nationale-konservative Regierungspartei PiS treibt das Land zunehmend in die Isolation. Die Pressefreiheit wurde stark eingeschränkt, das Verfassungsgericht lahmgelegt.

Dagmara Chmielewska

Eventmanagerin Dagmara Chmielewska lebt seit neun Jahren in London, ist in ihrer polnischen Heimat aber immer noch politisch engagiert, unter anderem in der liberalen Oppositionspartei Nowoczena. In der britischen Hauptstadt hat sie Pulse of Europe kennengelernt.

Zusammen mit einer Handvoll Mitstreitern will sie diese Bewegung nun auch in Polen bekannt machen. Hier steht man aber noch am Anfang: erst zwei Mal fand eine Kundgebung in Warschau statt, organisiert von politischen Aktivisten, die auch noch auf vielen anderen Hochzeiten tanzen.

"Unser Ziel ist erst einmal, von den Medien und von den Politikern wahrgenommen zu werden. Unsere Bewegung ist eine Bürgerinitiative. Sie kommt von unten. Wir möchten andere Menschen überzeugen und Druck auf unsere Politiker ausüben."

Dagmara Chmielewska, Mitorganisatorin

Der Chef der PiS-Partei Kaczinski versucht immer wieder seinen Landsleuten zu suggerieren, dass Polen in der EU unterdrückt werde. Zumindest in der polnischen Hauptstadt teilen die meisten Bürger seine Meinung aber nicht:

"Es hat Vor- und Nachteile, dass Polen in der EU ist. Ich denke, Polen würde auch alleine zurechtkommen, wenn wir eine gute Regierung hätten."

Ein junger Mann

"Ich finde es gut, dass Polen EU-Mitglied ist. Es hat sich sehr viel verändert seitdem. Wir bekommen viel Geld aus Brüssel und wir profitieren alle davon."

Eine junge Frau

"Das ist das beste, was uns in den letzten Jahren passieren konnte, dass Polen EU-Mitglied geworden ist. Heutzutage ist es nicht mehr möglich, sich abzuschotten. Wir leben alle gemeinsam auf dieser Welt."

Ein älterer Mann

Ob die Loveparade, Aktionen und Kundgebungen der Oppositionsbewegung, Frauen- oder Taxlertreiks – jedes Wochenende gibt es ein anderes Event. Gegen diese Konkurrenz muss sich Pulse of Europe erst einmal etablieren.

"Es lohnt sich, die Menschen regelmäßig daran zu erinnern, wie wichtig die Idee von Europa ist."

Dagmara Chmielewska

Für Europa, für Demokratie und gegen die rechtspopulistische Regierung in Polen! Gerade einmal rund 50 Leute haben sich vergangenen Sonntag zusammengefunden, um Farbe zu bekennen. Bald sollen es viel mehr werden. "Pulse of Europe" ist noch zu unbekannt. Werbung nur über Facebook reicht offenbar nicht aus.

"Ich finde es wichtig, dass man was unternimmt, um zu zeigen, dass Europa zusammenhalten soll und nicht jeder am eigenen Strang ziehen soll. Deswegen bin ich hier."

Ein Teilnehmer

"Ich bin begeistert, dass es so eine positive Energie hier gab. Die Menschen hier haben verstanden, was die Europäische Union für uns und für unser Land bedeutet. Und deswegen haben wir unser Ziel für heute erreicht."

Dagmara Chmielewska, Mitorganisatorin

Die Europahymne verbindet Warschau mit den 125 anderen Städten, an denen zeitgleich Kundgebungen stattfanden. Zumindest in Polen ist man mit dem monatlichen Demonstrationsrhytmus derzeit noch überfordert. Eine zentrale Veranstaltung im Oktober soll den Durchbruch bringen.

Auch in München erklingt die Hymne. Positive Gefühle für Europa – sie bekommen mit dem Pulse of Europe ein Gesicht, was zumindest in Deutschland viele begrüßen. Viele Emotionen, aber wenig Inhalte – ob das ausreichen wird, um die Zukunft der Bewegung zu sichern?


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