BR Fernsehen - DAS BAYERISCHE JAHRTAUSEND


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Höfische Kultur Karriere mit Minnesang

Das 12. Jahrhundert wurde zur großen Epoche der höfischen Rituale. Dem Ideal des tugendhaften Ritters versuchten wackere Männer in Turnieren nachzueifern. Tischsitten und Manieren verfeinerten sich. In der Lyrik wurde der Minnesang zum Hit.

Von: Ernst Eisenbichler

Stand: 19.01.2012 | Archiv

Prunkbuchstabe "W" | Bild: BR

Einer der bekanntesten Minnedichter jener Zeit war Walther von der Vogelweide, der um 1170 geboren wurde. Er erhielt um 1220 von Kaiser Friedrich II. ein Lehen in oder bei Würzburg, wo er um 1230 möglicherweise auch starb. Sein Todesort ist nicht eindeutig geklärt. Aus Walthers Feder stammt ein berühmtes Minnelied: "Unter der Linde" (mittelhochdeutsch: "Under der linden"). Darin schildert ein Mädchen ihr Liebeserlebnis mit einem Mann in freier Natur. Das Lied nimmt damit das antike Motiv des "lieblichen Ortes" (lateinisch: "locus amoenus") auf.

"Unter der Linde"

Udo Wachtveitl | Bild: BR zum Video Tandaradei Wachtveitl liest Walther

Udo Wachtveitl liest drei Strophen von Walther von der Vogelweides "Unter der Linde" - und erläutert den Minnesang. (Aus: DAS BAYERISCHE JAHRTAUSEND, 12. Jahrhundert: Würzburg, 2:14 min) [mehr]

Aber es "rückt das Geschehen aus dem raschen Erlebnis des ritterlichen Mannes in die beglückte Erinnerung des Mädchens, (...) aus äußerem Erlebnis in die Heimlichkeit des Herzens", so der Literaturwissenschaftler Helmut de Boor. Einziger Zeuge dieser Heimlichkeit ist das "vogellîn". Aber "daz mac wol getriuwe sîn". Das Vögelein, so hofft das Mädchen, wird wohl nichts verraten.

Sex tabu in der Hohen Minne

"Unter der Linde" gehört zum Typ des Mädchenliedes. Es stellt einen Bruch zur sogenannten Hohen Minne dar, denn die beiden hatten Geschlechtsverkehr. Das geht nicht nur aus der Vokabel "bettestat" hervor, "gebrochen bluomen" verstanden überdies die zeitgenössischen Leser als Symbol für Entjungferung. Diesen Minnelied-Typ nennt man auch Niedere oder Erreichbare Minne.

In der Hohen Minne gibt es solche Textstellen nicht, dort ist der Liebesvollzug tabu. Ihr Inhalt ist die Minneklage eines Mannes an eine unerreichbare, oft gesellschaftlich höher gestellte Frau. Charakteristisch für diesen Minnedienst ist, dass er unerfüllt bleibt. Der edle Herr muss sich mit asketischer "Höflichkeit" begnügen - zumindest in der Dichtung.

Lyrik fürs gesellschaftliche Prestige

Neben Walther gehören unter anderen Reinmar der Alte, Heinrich von Veldeke, Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Konrad von Würzburg und Oswald von Wolkenstein zu den bedeutendsten deutschsprachigen Minnedichtern.

Ihre Vorbilder hatten sie in den südfranzösischen Trobadors. Im deutschen Sprachraum etablierte sich der Minnesang in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Er war gewissermaßen eine Disziplin, in der sich adelige Ritter im Zuge der Zivilisierung des höfischen Lebens vom rohen, ungesitteten Kämpfer absetzten. In Wettbewerben, in denen sie die Lieder möglichst gekonnt vortrugen, stellten sie ihre kulturelle Kompetenz unter Beweis. Aussichten auf gesellschaftliche Anerkennung boten auch Wettkampferfolge bei Ritterturnieren oder Jagden.


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