BR Fernsehen - bergheimat


184

bergheimat Feridun Zaimoglu auf Sommerfrische in den Alpen

Feridun Zaimoglu ist in der Türkei geboren und lebt heute in Kiel. Seine Kindheit und Jugend hat er in München verbracht. Mit den Bergen verbindet ihn eine innige Beziehung - auch wenn diese nicht auf Gegenseitigkeit beruht.

Stand: 19.12.2014

Ganz in schwarz, mit auffälligem Silberschmuck, stets eine Zigarette oder das Handy in der Hand – Feridun Zaimoglu ist nicht gerade der klassische Bergfex. Der deutsche Schriftsteller türkischer Herkunft wandert nicht, klettert nicht, fährt nicht Ski. Den Bergen nähert er sich am liebsten vom sicheren Auto aus, aus dem er dann nur kurz aussteigt, um die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Und doch verbindet den in München aufgewachsenen Zaimoglu eine ganz innige Beziehung mit den Alpen. Jedes Jahr im Sommer verbringt er einige Wochen in Hallein, im Salzburger Land, zu Füßen des sagenumwobenen Untersberg. Immer im „Brückenwirt“. Immer im Zimmer 35, wo er auch in diesem Jahr ganze hundert Seiten seines neuesten Romans verfasst hat. Vormittags wird geschrieben, nachmittags wagt er sich hinaus. Zum Obersalzberg, auf die Großglockner Hochalpenstraße, in die Almbachklamm, auf den Kehlstein.

Das Gegenteil von Bergidylle und Alpenglühen

Dies sind nicht Sissi und Franz vor lieblicher Bergkulisse

Sein Erleben der Bergwelt ist befreit von allen Klischees. "Der Untersberg“, sagt er, „ist das Gegenteil der Alpenidylle. Kein Postkartenkitsch. Das erste Mal, als ich in Hallein war, trat ich auf den Balkon, wandte mich nach links, und sah diesen großen breiten Felsen da stehen, im Nebel, Dunst und Dampf ausschwitzend. Ich mochte das. Es ist nicht einladend, es ist kein Berg, den man schön findet. Ich mag es, wenn die Elemente den Menschen abweisen." Dabei stört es ihn auch nicht, dass zum Bergpanorama vor seinem Balkon ein großes Zementwerk mit markantem Betonturm gehört.

Wir Menschen sind dem Berg egal

Zaimoglu vor gleichgültigem Felsmassiv

Zaimoglu braucht weder verklärende Alpinromantik noch hemdsärmelige Bergwanderer-Zünftigkeit, um das potentiell Bedrohliche, das Schroffe der Bergwelt auszuhalten. Im Gegenteil. „Dieses Gestein ist an unseren Blicken völlig uninteressiert, ob es uns gefällt, oder nicht, es ist einfach da. Dieser Gedanke gefällt mir - dass etwas da ist und gar nicht auf uns angewiesen ist. Auf uns, die Menschen, die wir immer glauben, wir machen einen Ort lebendig. Das interessiert diesen Ort überhaupt nicht. Das gefällt mir. Sehr sogar, da muss ich lächeln, da bekomm ich gute Laune."

Alpsegen und Passionsspiel

Die in den Bergen gesammelten Eindrücke finden häufig Eingang in sein Werk, das sich immer wieder an alpinen Schauplätzen entfaltet. Schon im Theaterstück „Alpsegen“ spielt die alpenländische Mythenwelt eine zentrale Rolle. Von „voralpinen Alptraumwichten seligen Volkstums“, schrieb die „WELT“. Als „fiebriges Passionsspiel“ und „mystisch-katholische Bayernprovinzsaga“ bezeichneten andere Medien das Drama. Das war 2011. Und spätestens da war klar, dass Feridun Zaimoglu, bis dahin vor allem bekannt durch seinen Roman „Kanak Sprak“, nicht nur der „Vorzeige-Kultur-Türke“ (Zaimoglu über Zaimoglu) ist, sondern ein unabhängiger Geist mit einer ganz eigenen Sicht auf die Welt.

Bürgerschreck trifft auf Holzschnitzerdorf

Insofern war es nur folgerichtig, dass Christian Stückl ihn 2013 einlud, für die Oberammergauer Passionsspiele ein Stück über Moses zu schreiben – ausgerechnet ihn, den großstädtischen, türkischstämmigen Moslem und „Bürgerschreck“ (Stückl über Zaimoglu) mit dem fremdartigen Aussehen und dem fremden Blick auf das kleine katholische Holzschnitzerdorf und seine altehrwürdige Festspiel-Tradition. Die Zusammenarbeit wurde ein viel beachteter Erfolg. Sie soll bald fortgeführt werden.

Alpine Sommerfrische einmal anders

Der Film begleitet Feridun Zaimoglu in die alpine Sommerfrische nach Hallein, nach Oberammergau zu Christian Stückl und zu anderen Lieblingsplätzen – in eine erfrischend andere „bergheimat“ jenseits aller Stereotype. In seinem riesigen Transporter kutschiert Günter Senkel, bester Kumpel und Co-Autor seiner Theaterstücke, den führerscheinlosen Zaimoglu treu über Brücken und Serpentinen, über Pässe und durch Tunnel. Es ist ein heiteres Road-Movie mit sehr ernsthaften aber auch skurrilen Momenten. Zaimoglu über Senkel und Zaimoglu unterwegs: „Wir sind Rübezahl und Troll in den Bergen“.

Buch und Regie: Steffi Illinger / Redaktion: Sabine Reeh


184