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ADA-Wien Ist der Wolf wirklich böse?

Wölfe sind seit jeher von einem besonderen Mythos umgeben, vom germanischen Werwolf über das Krafttier, als das sie bei vielen Völkern galten bis zur Wölfin, die Romulus und Remus gesäugt haben soll.

Von: Günther Ziesel

Stand: 14.06.2015 | Archiv

Das Schild des Wildparks | Bild: BR

Als Grundlagenforschung erkunden die Wissenschaftler die Ähnlichkeiten zwischen Wolf, Hund und Mensch und gehen der Frage nach, warum sich der Mensch vor zirka 35.000 Jahren den Wolf als Hund zum treuesten Begleiter aussuchte.

Kurt Kotrschal

Das Wolfsforschungszentrum bietet den Besuchern einen Einblick in die Forschungsarbeit mit Wölfen, die schon als Welpen an den Menschen gewöhnt wurden.

"Wir ziehen die Wölfe und die Hunde ohne jede Strafe und ohne jede negative Einwirkung auf. Das heißt, es gibt nie ein 'Nein', nie ein 'Pfui'. Aber bereits, wenn sie kleine Welpen sind, üben wir jeden Tag ein bisschen 'Sitz' und 'Platz'. Und dafür gibt es Belohnung. Das geht ihnen so in Fleisch und Blut über, dass die erwachsenen Wölfe auch gerne mit uns arbeiten."

Universitätsprofessor Dr. Kurt Kotrschal, Verhaltensforscher

Ein interessanter Test zeigt die kognitiven Fähigkeiten der Wölfe. Die Trainerin zeigt dem Tier Fleisch oder Wurst in der einen und Trockenfutter in der anderen Hand. Ist die Wölfin Shima bereit, das weniger geliebte Trockenfutter stehen zu lassen, um auf die besser schmeckende Wurst zu warten? Test bestanden.

Ein Hund ist bereit, im Test vier- bis fünfmal länger zu warten, weil sein Jagdinstinkt wesentlich weniger ausgeprägt ist als der des Wolfs.

Im Forschungszentrum werden die Hunde gleich wie die Wölfe in weitläufigen Gehegen gehalten, das heißt, sie leben unter den gleichen Bedingungen, sodass die Unterschiede im Verhalten möglichst objektiv erkundet werden können.

Eine Vielzahl von Faktoren muss untersucht werden, um relevante Forschungsergebnisse zu bekommen. So werden auf einem Laufband Herzfrequenz und Energieverbrauch gemessen. Zur Zeit laufen Hunde und Wölfe noch getrennt. In einer nächsten Stufe sollen beide miteinander laufen und später auch noch gemeinsam mit Menschen.

Davon erwarten sich die Forscher Rückschlüsse auf soziologische Ähnlichkeiten in gemeinschaftlichen Aktivitäten der Tiere einerseits und der Menschen andererseits.

"Eine der Hauptideen ist, dass Wölfe und Menschen hochkooperative Wesen sind mit einer ganz ähnlichen sozialen Ausrichtung. Wir sind Kleingruppenwesen, wir arbeiten auf der Jagd zusammen, beim Aufziehen der Kinder und, weniger schön, auch beim Abwehren der Nachbarn, also Wölfe und Menschen führen Krieg gegen die Nachbarn. Diese grundlegenden Ähnlichkeiten haben wahrscheinlich dazu geführt, dass Menschen und Wölfe zusammenkamen."

Professor Dr. Kurt Kotrschal, Verhaltensforscher

Während in Slowenien, Kroatien und in Teilen Italiens und Deutschlands Wölfe wieder heimisch wurden, gibt es in der Schweiz und in Österreich hitzige Diskussionen über das Auftauchen von Wölfen:

"Wölfe und Bären haben eine wichtige Funktion im Ökosystem. Wölfe sind besser, Wildbestände gesund zu erhalten als menschliche Jäger. Andererseits sind natürlich Wölfe und Bären Konflikttiere, das heißt, überall, wo sie aufkreuzen, haben manche Leute überhaupt keine Freude mit ihnen. Das heißt, es wird wahrscheinlich darauf ankommen, wie gut unser Konfliktmanagement ist, ob Wolf und Bär in Österreich wieder eine Chance haben."

Professor Dr. Kurt Kotrschal, Verhaltensforscher

Trotz des Sozialbezugs zum Menschen sind die Wölfe im Forschungszentrum nicht domestiziert, sondern sie sind zahme Wildtiere, die einen Vergleich zu den kooperativen Fähigkeiten von Mensch und Tier ermöglichen.


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