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ADA-Kärnten Das Fastentuch aus der Kirche von Latschach

Vor zirka tausend Jahren kam in Mitteleuropa der Brauch auf, während der Fastenzeit den Chorraum der Kirche mit einem Tuch zu verhängen, damit die Kirchenbesucher der Messe nur schemenhaft folgen konnten. Dies galt als "geistiges Fasten".

Von: Josef Schwellensattl

Stand: 15.03.2015 | Archiv

Die Pfarre Latschach | Bild: BR

Frühling am Faaker See in Kärnten. Zur Fastenzeit hängen vor den Altären vieler Kärntner Kirchen Fastentücher. Die ältesten stammen aus dem 15. Jahrhundert. In der deutsch-slowenischen Pfarre Latschach aber hängt ein modernes. Es zeigt die Stationen des Kreuzwegs und misst acht mal fünf Meter. Gemalt wurde es von dem Kärntner Slowenen Valentin Oman, ein bekannter österreichischer Künstler der Gegenwart. Dass er in der durch und durch barocken Kirche seiner Heimatregion ein Stück moderner Kunst schaffen durfte, war für ihn eine besondere Herausforderung.

"Ja, es ist eine der schönsten Möglichkeiten, in einem alten Sakralraum heute noch etwas beizutragen, als Maler, aus der Zeit, in der wir leben. Und wie man sieht, ich glaube, das ist keine Störung der alten Architektur, sondern es ist eine Möglichkeit auch unsere Zeit in einem alten Sakralraum einzubringen."

Valentin Oman, Maler des Fastentuchs von Latschach

Valentin Oman ist ein experimentierfreudiger Maler. Für dieses Fastentuch hat er mit heftiger Geste auf Zeitungscollagen gemalt; kroatische Zeitungen, im slowenischen Piran gekauft.

"Deshalb heißt er auch Piraner Kreuzweg, weil ich den im Jahr 1991 in Piran gemacht habe, und zu der Zeit hat ja der Krieg in Kroatien begonnen. Das war natürlich, einen Monat lang ganz nahe am Kriegsschauplatz, ein sehr naheliegendes Thema. Ich habe zu der Zeit auch die Vecerni List, also die kroatische Tageszeitung gelesen und auch als Collage mitverwendet. Das heißt, dass man diese Zeit, in der dieser Kreuzweg entstanden ist, auch in Form von Relikten aus der Zeit, sozusagen verewigen kann."

Valentin Oman

Valentin Oman

Dass er ausgerechnet während des Balkankriegs am Fastentuch malte, noch dazu so nah am Kriegsgeschehen und zu seiner kärntner-slowenischen Heimat, hat sein Werk stark geprägt. Die Leiden des Krieges treffen auf das Leiden Christi. Im letzten Bild löst es sich auf im tiefen Blau des Ultramarin.

"Ich hab ja während dieser Zeit von sieben Uhr am Abend bis Mitternacht immer kroatisches Fernsehen geschaut. Und eben eines dieser Fernsehbilder war, das ich gesehen habe, das für mich auch eines der stärksten war, dass ein Wegkreuz zerschossen war. Das heißt, dieser Korpus, der auf dem Kreuz vorher war, dass der in Bruchstücken sozusagen am Kreuz heruntergehängt hat. Und so ähnlich schauen natürlich auch die Resultate in den Kreuzformen aus. Es ist doch irgendwo eine Figur spürbar, aber die ist einfach nicht mehr ganz. Und da hat man natürlich jetzt Möglichkeiten auch für mich, dass ich sage, ich kann jeden Tag eine neue Art von Figuration herauslesen. Und das gleiche erwarte ich aber auch vom Betrachter. Also, ein bisschen muss er beitragen, aber er hat die Möglichkeit, sein Bild für sich selbst zu vervollständigen oder zu verändern."

Valentin Oman

Simon Trießnig

Ob die Kirchengemeinde das auch so sieht? Anfangs hatte man ein wenig Sorge, ob die Dorfbewohner das Kunstwerk auch wirklich annehmen würden.

"Das Fastentuch haben wir 2007 zum ersten Mal aufgezogen und heute gehört es eigentlich schon zum Inventar der Pfarre Latschach. Und ich muss sagen, es war doch eine Herausforderung irgendwie auch für uns, die wir das Projekt gemacht haben. Wir sind eine Landpfarre; wie wird das dann angenommen, und moderne Kunst und so weiter? Ich muss sagen, dass die Menschen es schon gleich für sich im positiven Sinne angenommen haben. Und heute vor der Fastenzeit wartet schon jeder und fragt: 'Wann wird es wieder aufgezogen.'"

Simon Trießnig, Chorleiter

Am Aschermittwoch wird es aufgezogen und am Karsamstag wieder abgenommen. Dann zeigt sich die Kirche wieder in ihrem ganzen, goldenen Glanz.


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