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BR-München Die Hutmacher-Tradition in Lindenberg

Marlene Dietrich hat es wahrscheinlich getan, Humphrey Bogart auch, Indiana Jones und Udo Lindenberg tun es sowieso. Sie tragen das Allgäu auf ihrem Kopf.

Von: Christoph Wittmann

Stand: 01.04.2015 | Archiv

Ein Hut mit Schleier | Bild: BR

Norina Mitter

Hüte aus der Hutstadt Lindenberg. Während Hüte woanders meist in alten Faschingskisten verstauben, verstehen sie hier das Huttragen noch als königliche Aufgabe:

"Ich heiße Norina Mitter und bin seit Ende Mai die amtierende deutsche Hutkönigin. Ich möchte einfach die Freude am Hut wieder wecken, bei den Menschen, wo sie noch schlummert."

Norina Mitter, Deutsche Hutkönigin

Auf den ersten Blick hat Lindenberg alles, was man vom Allgäu kennt: Schöne Landschaft, Kühe, Käse, ein idyllischer Luftkurort an der deutschen Alpenstraße. Doch hinter dem verschlafenen Städtchen verbirgt sich noch mehr: ein Stück deutsche Industriegeschichte. Und in den wohlbehüteten Köpfen der Lindenberger schlummert eine besondere Leidenschaft, auch wenn die im Alltag nicht immer zu sehen ist.

"Man sieht also hier in Lindenberg beim Huttag zum Beispiel, dass das Bedürfnis da ist. Es haben ganz viele Menschen Hut auf und packen da ihre Schätze aus einmal im Jahr, also es gibt das Bedürfnis nach Hut, ich glaub der Mut fehlt."

Norina Mitter, Deutsche Hutkönigin:

Den Mut zum Hut beweisen die Lindenberger beim alljährlichen Huttag. Hier feiern sie ihre Tradition als Hutstadt und versuchen die Erinnerung an ihre spezielle Geschichte wach zu halten.

Angelika Schreiber

Doch wie konnte ausgerechnet ein Bauerndorf im Allgäu zu einem riesigen Industriestandort für Hüte werden? Spurensuche im deutschen Hutmuseum:

"Zum einen waren wir arm. Wir mussten uns neben der Landwirtschaft einen Nebenerwerb suchen, das war Hütenähen aus Strohborten. Und wir waren risikobereit. Die Lindenberger, sie sind mit den Pferden über die Alpen gezogen, da lag das Kapital im Pferdehandel und dieses Geld wurde in die Stadt zurückgebracht mit Wissen, wie man noch schönere Hüte herstellen kann. Und das kam hier vor Ort zusammen."

Angelika Schreiber, Museumsdirektorin

Aus Pferdehändlern wurden Hutfabrikbesitzer, aus Bauersfamilien Hutmacher. Um 1900 arbeiteten etwa 6000 Lindenberger in 30 Hutfabriken, vor allem am Matelot, dem Kulthut dieser Zeit.

"Wir haben wirklich in alle Kontinente geliefert. Das war ein Kommen und ein Gehen, ein Verschicken. Wir hatten ein eigenes Zollamt, einen eigenen Bahnhof, nur für diese Produktion."

Angelika Schreiber, Museumsdirektorin

Einige Jahrzehnte später wurden Lindenberger Filzhüte zum neuen Muss für die modisch anspruchsvolle Frau und die Stadt deshalb bald Klein-Paris genannt.

Doch Ende der 1960er: der Dauerwellen-Schock. Auf dem Kopf wurde nun Frisur getragen, der Hut kam aus der Mode und mit ihm die Lindenberger Hutindustrie. An die glorreichen Zeiten erinnern heute nur noch der Hutmacherplatz und alte Fabrikruinen. Geblieben ist der Stadt eine einzige Hutfabrik. Und selbst die Firma Mayser musste den Großteil ihrer Produktion ins Ausland verlagern. Die Modelle der Zukunft entstehen aber immer noch hier im Atelier, denn die Lindenberger haben den Hut noch nicht ganz aufgegeben:

"Diese Hut-Hochzeit, die kann man nicht mehr aufholen, das funktioniert einfach nicht mehr. Aber es gibt wieder Leute, die sehr viel Leidenschaft dafür entwickeln, für Hut, und den Hut als Accessoire für das ganze Modeoutfit sehen. Mich freut es immer, wenn ich einen Film sehe und es taucht ein Hut auf und es ist vom Mayser das Logo drauf. Dann denke ich mir: Aha, ist doch schon wieder ein Hut von uns."

Ein Mitarbeiter der Firma Mayser

Und so kämpfen die Lindenberger weiter für ein Comeback des Huttragens und vielleicht entstehen hier ja gerade die nächsten Berühmtheiten der Hutstadt Lindenberg.


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Horst Brömme, Sonntag, 19.Oktober 2014, 19:28 Uhr

1. Ihre Sendung "Die Hutmachertradition in Lindenberg"

Zu Ihre interessante Sendung zur Lindenberger Hutmachertradition, darf ich ergänzen, mit dem Hinweis, auf das in Nürnberg befindliche HUTMUSEUM der Familie BRÖMME, welche in anschaulicher Weise die Entwicklung der feinen Filz- und Strohhüte darstellt.
Ich lade Sie zu einen Besuch ins HUTMUSEUM Nürnberg zum fertigen Ihres eigenen Hutes ein!
Horst Brömme
Inere Laufer Gasse 33
90403 Nürnberg www.hutmuseum-nuernberg.de