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BR-München Der Herr der Ringe

Wenn es früher zwischen zwei Bayern aus dem Alpenland zum Streit kam, dann wurde der meist recht sportlich gelöst, durchs Fingerhakeln! Beide Gegner sitzen sich gegenüber an einem Tisch und versuchen, den anderen am Finger zu sich herüberzuziehen.

Von: Eva Achinger

Stand: 14.08.2016 | Archiv

Fingerhakeln | Bild: BR

30 Pfund pro Mittelfinger, das eigene Körpergewicht oder 54 Pfund. Er spaziert damit fünf Mal ums Haus, der Toni Weiß. Und, dann zieht er noch 50 Mal in der Garage. All dieses Training nur, um zu stärken, was dem Hakler heilig ist: sein Mittelfinger.

"Am Anfang mit einem Milchkübel, da war Sand drin. Den hab’ ich daweil aufgehoben. Und dann ham a den Tisch gemacht. Und seitdem trainieren wir mit dem Gewicht übers Radl – mit so 50 Pfund zirka. Da zieht man dann fünf Mal, zehn Mal bis zu 50 Mal rauf."

Anton Weiß

Wachsen sollen nicht nur die Muskeln, erklärt Toni, sondern auch die Hornhaut.

"Der Ring liegt direkt hinter dem Ballen da. Für das ist der Ballen wichtig, dafür, dass wenn’s den da einhängst, dass der Ring dann da so hinter drinhängt. Dann ist das kompakt da."

Anton Weiß

So einen Hakelring macht der Toni in drei Schritten: zuerst das Wurstgarn, 23, 24, 25 Mal herumwickeln. Wie ist er eigentlich darauf gekommen?

"Da habe ich in der Woche acht Mark verdient. Und damals hat ein Ring 3,50 Mark gekostet. 1962 war das. Und mei, da ham ma nach der Platterlerprob’ ghakelt danach. Und dann hat der, der und der gezogen. Und du hast nicht aufgepasst, bist wieder nach Hause gekommen und hast wieder keinen Ring gehabt. Und dann hab’ ich zur Mama gsagt, jetzt mach’ man auf und schauen, wie der gemacht wird und machen den selber."

Anton Weiß

Im zweiten Schritt: das Wurstgarn zusammennähen – neun Millimeter dick soll der Ring werden.

Toni ist eigentlich Metallschleifer. Und dieses schwarze Gestell ist sein Eigenbau. Das Innere vom Hakelring wäre schon mal fertig.

"Da musst du da jetzt noch so drehen, dass die wirklich alle streng sind."

Anton Weiß

Anton Weiß

Dass sich beim Toni alles ums Fingerhakeln dreht ist kein Zufall. Eher eine Initiation:

"Des war mein erster Pokal, wo i kriegt hab! Und des war 1973 von der bayerischen Meisterschaft in Hausham. Da hab’ i die bayerische Meisterschaft gewonnen."

Anton Weiß

Es sollten noch weitere Titel folgen und der Vereinsvorsitz von Schlierachgau, 30 Jahre lang, bis zum Rücktritt 2006:

"Na, na! Am Anfang war’s schon schwer. Da warst zu lange dabei. Ah, ja, jetzt geht’s! Des geht halt nicht leicht."

Anton Weiß

Ob Oberbayerisches Volksblatt oder Miesbacher Merkur – alles, was die Lokalpresse übers Fingerhakeln berichtet hat, der Toni hat es gesammelt. Davor allerdings, in den 40er und 50er Jahren, hat man noch anders g’hakelt. Der Toni war da noch gar nicht dabei. Und seine Ringe auch nicht. Denn damals galt: Mann gegen Mann – ganz ohne Ring, nur mit den bloßen Fingern. Erst später, nach 1955, organisierte sich die Hakler-Szene im Landesverband bayerischer Fingerhakler. Und damit kamen auch richtige Meisterschaften und strenges Regelwerk: ordentliche Wettkämpfe verlangen einen Schiri und einen Hakelring.

Zu den großen bayerischen Haklern gehört nicht nur Toni selbst. Da, seine Söhne:

"Des war die bayerische Meisterschaft von den Schülern. Des ist der Weiß Helmut, die waren da, und der Weiß Georg. Der Helmut, meine ich, war Vierter. Und der Georg war erster."

Anton Weiß

Heute, hakelt er immer noch, der Weiß Helmut, und auch sein Sohn, Sebastian: er ist 12. Genau wie er, der Kleinste Weiß, Anian, neun Jahre alt.

Inzwischen macht Toni die letzten Stiche. Und zwar alle möglichst im gleichen Abstand. Am Ende noch den Faden vernähen, die Überhänge weg und: „Fertig!“

Nur schön aussehen, reicht allerdings nicht. Ein Hakelring, muss vor allem eines sein: reißfest. Der Test vor Tonis Tür: Der Ring taugt!


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