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BR-München Betteltradition auf schwäbische Art

Ende Januar lässt der Winter in Hinterstein kräftig seine Muskeln spielen. Das Dorf wirkt wie leergefegt und kaum jemand verlässt bei solchem Wetter freiwillig lange die warme Stube.

Von: Alexander Freuding

Stand: 31.01.2016 | Archiv

Butzengeher in Hinterstein | Bild: BR

Umso befremdlicher wirkt ein einsamer Tross seltsam gewandeter Kinder. Wie die Orgelpfeifen nach Größe gestaffelt ziehen sie seit den frühen Morgenstunden von Tür zu Tür. Wer von den Anwohnern nicht hier im Tal aufgewachsen ist, der steht zunächst vor einem Rätsel.

"Solche Bräuche kennen wir aus Hessen nicht ... aber solche Gestalten haben wir bei uns nicht."

Ein Anwohner

Diese "Gestalten" sind "s´Tapferwieb", "dr´Butz", "Rösslar", "Fähnder", "dr´Bäck", "dr´Wirt" und ein halbes Dutzend weiterer Figuren. Mit Schuleintritt darf man erstmals mitspielen und steigt dann Jahr für Jahr höher in der Butzenhierarchie, bis man mit etwa 13 Jahren die Butzen hinter sich lässt.

Zehn "klassische" Charaktere mit ihren eigenen Bittsprüchen sind überliefert. In den geburtenstarken Nachkriegsjahrgängen wurden noch eine Handvoll Reime hinzugefügt, um alle Kinder mitlaufen zu lassen.

Mehl, Butter, Eier und Zucker werden an jeden Haus eingefordert. Was es damit auf sich hat, werden wir später erfahren. Einige alte Verse haben allerdings auch so rabiate Inhalte aus Kriegszeiten, dass manche "Föhla", also manche Mädchen, sich vor dem Besuch der Butzen regelrecht fürchteten und beim Erschallen der Türklingel schleunigst versteckten, wie uns Beate und Konrad Lipp berichten. Auffällig ist: es finden sich nur Buben unter den Butzen.

"Das ist eben schade, dass Föhla nicht mit dürfen ... ein Brauch wo bloß Buben mit dürfen."

Beate Lipp

"Ich bin acht Jahre lang mitgegangen..."

Albert Wechs, Heimatpfleger

Albert Wechs

Das erzählt uns Albert Wechs, Heimatpfleger im Ostrachtal.

Und so bettelt sich die Butzenschar einmal quer durchs ganze Dorf. Die Taschen mit Mehl und Eiern werden immer schwerer, der Schnee immer tiefer. Doch Simon, der kleinste, will sich vor den älteren keine Blöße geben.

185 Häuser hat Hinterstein, das heißt 185 mal denselben Spruch aufsagen. Und 185 mal wieder hinaus in die Kälte. Simon wankt. Kalter Regen hat den Schneefall abgelöst. Auf dem Weg zu den letzten Häusern im Dorf trifft die Butzen ein wütender Sturm. Simon ist blau gefroren. Niklas, der "Rössler", opfert heldenhaft seine Mütze. Nur noch ein paar Meter, dann können endlich alle Ballast abwerfen.

"Ja, die Kinder liefern die Zutaten bei mir ab, ... und ich bin der, der daraus die Butzenzöpfe macht."

Willi Weber, Dorfbäcker

Hefezöpfe! Darum geht es. Einmal im Jahr sollten sich alle Kinder richtig satt essen können. Willi Weber betreibt eine der wenigen Dorfbäckereien, die es auf dem Land noch gibt. Schon sein Großvater hat 1930 solche Butzenzöpfe in Hinterstein gemacht. Diesmal reicht es für drei große Zöpf´ pro Butz´, die beim anschließenden Butzenfest verteilt werden.

Und weil Essen für einen Butz´die Hauptsache ist, darf der traditionelle Knödelwettstreit nicht fehlen.

Pius, der "Fähnder", hat es diesmal zum Knödelkönig geschafft, und hungrig ist heute sicher kein Butz´ nach Hause gegangen.


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