BR Fernsehen

ZUM 80. GEBURTSTAG VON HANS JÜRGEN SYBERBERG Hans Jürgen Syberberg - Der Unberechenbare

Nacht auf Mittwoch, 09.12.2015
00:30 bis 01:15 Uhr

BR Fernsehen
Deutschland 2010

Hans Jürgen Syberberg: Intellektueller, Außenseiter, Enfant terrible des Neuen Deutschen Films, gefeiert von international renommierten Autoren wie Susan Sontag, Alberto Moravia, Heiner Müller und Michel Foucault, in Deutschland später von der Filmkritik verfemt als vermeintlicher Antiaufklärer, spätromantischer Ästhet und irrationaler Antimodernist.

Während seine Filme in Paris und New York gefeiert wurden, kamen sie bei uns nur selten ins Kino. Im Jahr 2010 traf ein Team von „Kino Kino“, das Filmmagazin im Bayerischen Fernsehen, den Filmemacher in seiner Heimat im vorpommerschen Nossendorf.

Drei Tage hat Syberberg dem Filmteam gewährt. Drei Tage, in denen das Team ihn auf seinem restaurierten Gutshof begleiten darf, mit ihm über sein Œuvre spricht, über die Anfänge beim Bayerischen Fernsehen, seine experimentellen Dokumentar- und Spielfilme, seine Heimat in Vorpommern und den Versuch, das Leben in Nossendorf mit den Mitteln der Fotografie und des Internets zu dokumentieren, gleichsam als "Film nach dem Film".

Zu Anfang spricht Syberberg eine Warnung aus: "Glauben sie nicht, dass ich mich hinsetze und etwas aus meinem Leben erzähle." Natürlich bricht er Wort, erzählt bereitwillig von seiner Familie, von vergangenen Erfolgen und aktuellen Projekten. Der daraus entstandene Dokumentarfilm bietet, strukturiert durch die Begegnung mit Syberberg und ergänzt durch Archivmaterial und Ausschnitte aus dem Fernseh- und Kinowerk des Regisseurs, einen Einblick in die Welt und das Werk des streitbaren Ausnahmekünstlers.

In der Dokumentation „Hans Jürgen Syberberg – Der Unberechenbare“ berichtet der Filmemacher von seiner Jugend auf dem Land und die Erfahrungen in der noch jungen damaligen DDR, in der er bis 1953 lebte. Syberberg erinnert sich auch an seine Muse Edith Clever, mit der er u.a. seine "Parsifal"-Verfilmung von 1982 und den sechsstündigen Monologfilm "Die Nacht" (1985) inszenierte.

Erinnerungen an seine frühen Beiträge für den Bayerischen Rundfunk werden wach. An Reportagen, die oft kleine Filme sind, und in denen Syberberg z.B. mit experimentellen Mitteln vom Oktoberfest 1964 berichtet; und an Dokumentarfilme wie "Die Grafen Pocci – Einige Kapitel zur Geschichte einer Familie" (1966), "Theodor Hierneis oder: Wie man ein ehem. Hofkoch wird" (1972) und "Romy – Portrait eines Gesichts" (1964).

Auch die großen, mythopoetischen Auseinandersetzungen mit der deutschen Geschichte kommen zur Sprache: die künstlerisch-künstlichen Atelierfilme "Ludwig – Requiem für einen jungfräulichen König" und "Karl May", beide von 1972, die entlarvende Dokumentation "Winifred Wagner und die Geschichte des Hauses Wahnfried 1914 – 1975" (1975) und der vierteilige, insgesamt siebenstündige "Hitler – Ein Film aus Deutschland" von 1977, Syberbergs Opus Magnum. Dabei zeigt sich bald: Noch im hohen Alter ist Syberberg höchst agil, streitbar und produktiv wie eh und je. Er ist sich treu geblieben, mit all seinen Widersprüchen.

Autor/Autorin: Carlos Gerstenhauer
Regie: Carlos Gerstenhauer
Redaktion: Walter Greifenstein